Freitag, 21. September 2018

LGBTQIA+ Begriffsdschungel - Teil 2: Orientierungen und Attraktionen

Im zweiten Teil meiner kleinen Odyssee durch die LGBTQIA-Begriffswelt geht es zunächst um sexuelle Orientierungen - also das, woran die meisten Leute als erstes denken, wenn sie eine Regenbogenfahne sehen - aber tatsächlich geht es eben nicht hauptsächlich um Sex, und daher weite ich das Thema aus auf alles, was mit Orientierungen zu tun hat, und möchte auch auf die verschiedenen Arten von Attraktion eingehen.

Es gibt innerhalb der Communities viele Diskussionen über Begriffe und wie sich unsere gelebten Erfahrungen am besten durch diese beschreiben lassen. Ich erwarte, dass es im Verlauf der Jahre noch eine Menge Veränderungen geben wird - ebenso werde ich selbst noch vieles dazulernen. Ich kann hier also nur erklären, wie ich die Dinge jetzt, im Herbst 2018 verstehe, und werde zweifellos vieles später revidieren. :-)

Es versteht sich von selbst, dass alle Definitionen hier in erster Linie mal von mir sind. Ich spreche aber natürlich nicht für die, welche diese Begriffe für sich verwenden. Im Zweifelsfall ist es IMMER besser, Personen selbst zu fragen, wie sie ihre Identität verstehen.

Ich versuche, meine Definitionen nach bestem Gewissen so zu formulieren, dass die allermeisten Leute, die sie nutzen, sich darin wiederfinden. Natürlich wird das nicht in jedem Fall funktionieren.

~ ẞ ~


Inhalt von Teil 2:

A - Die Grundlagen
B - Sexuelle Orientierungen
C - Verschiedene Arten von Attraktion
D - Romantische Orientierungen
E - Weitere Begriffe

~ ẞ ~

Teil 2: Orientierungen und Attraktionen

(Content Note: Diverse Ausgrenzungen)

A. Die Grundlagen


Homosexuell, bisexuell, asexuell - das sind die Orientierungen, die direkt im Kürzel LGBTQIA+ drinstecken, und sie bilden die Basis, von der aus weiter differenziert werden kann. Bevor ich aber die einzelnen sexuellen Orientierungen durchgehe, gilt es zunächst eine Unterscheidung zu machen.

Meist reden wir über sexuelle Orientierungen, doch es geht ja nicht nur um Sexualität. Deswegen wird von dieser die romantische Orientierung separat aufgeführt, denn auch wenn diese bei den meisten Menschen zusammenfallen, ist das nicht immer so. Neben sexuellen und romantischen werden auch noch andere Arten von Orientierungen diskutiert, dazu komme ich aber später.

Ich werde im nächsten Abschnitt mich einmal auf die Begriffe der sexuellen Orientierungen konzentrieren. Aber es scheint mir nützlich, bereits vorher zu sagen, dass praktisch alle davon auch ein analoges Gegenstück aus den romantischen Orientierungen haben. Zum Beispiel:

heterosexuell - heteroromanisch
asexuell - aromantisch
...
usw.

B. Sexuelle Orientierungen


Sexuelle Orientierungen beziehen sich auf sexuelle Anziehung, allerdings werden die Begriffe auch fast immer als Überbegriff verstanden, der andere Arten von Attraktion miteinschließt.

* heterosexuell (straight)

Heterosexuelle Menschen erleben sexuelle Anziehung zu Menschen eines gegensätzlichen, d.h. vom eigenen deutlich verschiedenen Geschlechts.

Alltagsdefinition: Heterosexuell sind Männer, die sich zu Frauen, und Frauen, die sich zu Männern hingezogen fühlen.

* asexuell (ace)

Asexualität wird als Überbegriff verwendet für die Abwesenheit oder teilweise Abwesenheit von sexueller Anziehung. Asexuelle Menschen (im engsten Sinn) erleben keine sexuelle Attraktion zu Menschen irgendeines Geschlechtes. Im weiteren Sinne gehören zu Asexualität aber auch die verschiedenen Graubereiche, graysexual und demisexual.

Asexualität hat nichts mit mangelnder Libido oder Enthaltsamkeit zu tun. Manche Asexuelle empfinden Sex als abstoßend, und wollen damit nichts zu tun haben - manche haben lediglich kein Bedürfnis danach, aber haben kein Problem damit, mit Partner*innen Sex zu haben.

Zur Veranschaulichung sage ich mal: Asexuelle fühlen sich zu Menschen des eigenen Geschlechtes ebensowenig hingezogen wie Heterosexuelle, sowie zu Menschen eines gegensätzlichen Geschlechtes ebensowenig wie Homosexuelle.

* allosexuell

Der Gegenbegriff zu Asexualität heißt Allosexualität - darunter fallen die meisten anderen sexuellen Orientierungen. Als eigener Begriff ist es außerhalb von Ace-Communities selten anzutreffen, aber es ist wichtig, einen Gegenbegriff zu haben, um die Norm als solche in Frage stellen zu können. (Ganz ähnlich dem Begriff "cisgender" bei den Geschlechtern)

* homosexuell (schwul, lesbisch, gay)

Homosexuell sind Menschen, die sexuelle Anziehung zu Menschen ihres eigenen oder eines sehr ähnlichen Geschlechtes erleben.

* bisexuell / bi*sexuell / bi

Definition 1: Bisexuelle Menschen erleben sexuelle Anziehung zu Menschen mindestens zweier (deutlich) verschiedener Geschlechter.

z.B. zu Personen eines ähnlichen (oder dem eigenen) Geschlechtes und Personen eines davon verschiedenen.

Definition 2: Bisexualität ist sexuelle Attraktion, die als straight gelesen wird, und sexuelle Attraktion, die als queer gelesen wird. Bisexuelle Menschen bewegen sich deswegen gewissermaßen zwischen zwei Welten.

Definition der einflussreichen Bi-Aktivistin Robyn Ochs: "I call myself bisexual because I acknowledge that I have in myself the potential to be attracted – romantically and/or sexually – to people of more than one sex and/or gender, not necessarily at the same time, not necessarily in the same way, and not necessarily to the same degree."

Keine der Definitionen ist durch Gewichtung eingeschränkt, d.h. eine Person die sich hauptsächlich zu einem Geschlecht hingezogen fühlt, aber eben auch zu einem davon verschiedenen, ist auch bisexuell, sofern sie diese Eigenbezeichnung nicht unpassend findet und ablehnt. (Siehe: heteroflexibel/homoflexibel)

Die Schreibweise "bi*sexuell" deutet darauf hin, dass es sich um einen Oberbegriff handelt, der sowohl andere (nicht-sexuelle) Formen der Attraktion als auch andere Selbstbezeichnungen (wie z.B. pansexuell) einschließt.

* polysexuell

Polysexualität ist eine Untermenge von Bisexualität. Polysexuelle Menschen betonen ihre Anziehung zu vielen, aber nicht allen Geschlechtern.

* pansexuell (selten auch: omnisexuell)

Eine Untermenge von Bisexualität und Polysexualität. Pansexuelle Menschen erleben sexuelle Anziehung zu Menschen aller Geschlechter; oft wird es auch formuliert als Attraktion bei der das Geschlecht keine Rolle spielt.

* heteroflexibel / homoflexibel

Viele Menschen finden sich in einer Grauzone zwischen Bisexualität und Hetero-/Homosexualität wieder. Menschen, die sich im Wesentlichen als homosexuell bezeichnen, aber selten auch Attraktion zu Menschen eines anderen Geschlecht erleben, manchmal auch nur einmal im Leben, können das als homoflexibel benennen.

Hetero-/Homoflexible Menschen können sich selbst als heterosexuell, bi*sexuell oder homosexuell verstehen, und diesen Begriff als zusätzliche Ergänzung verwenden.

* monosexuell

Monosexuell sind Menschen, die sexuelle Anziehung zu Menschen nur eines Geschlechtes erleben. Die Bezeichnung entstand primär als Gegenbegriff zu "bisexuell", um also heterosexuelle und homosexuelle Menschen zusammenzufassen, kommt also aus dem Bi-Aktivismus. Dort wird auch das Gegenstück "non-monosexuell" verwendet. Per Definition sind aber auch viele asexuelle Menschen nicht monosexuell, da sie sich zu gar keinem Geschlecht hingezogen fühlen, weswegen der Begriff "non-monosexuell" im wörtlichen Sinn nicht synonym mit "bisexuell" sein kann.

* gynesexuell / finsexuell (gynesexual, finsexual)
* androsexuell / minsexuell (androsexual, minsexual)
* skoliosexuell / ninsexuell (skoliosexual, ninsexual)

Für nichtbinäre Menschen macht es oft keinen Sinn, sich darüber zu definieren, ob sie sich zu gleichartigen oder anderen Geschlechtern hingezogen fühlen - wenn das eigene Geschlecht undefiniert ist, oder außerhalb der gängigen Begriffe, sind ja alle anders oder vielleicht auch alle ähnlich.

Daher gibt es noch eine Reihe weiterer Begriffe. "Gynesexuell" bezieht sich auf die Anziehung zu Frauen; einige trans Personen mögen den Begriff aber nicht, weil sie ihn mit Gynäkologie assoziieren, und einer stark auf bestimmte Körperteile fokussierte Sicht.

Analog gibt es "androsexuell" als sexuelle Anziehung zu Männern oder männlichen Geschlechtern, sowie "skoliosexuell" als Anziehung spezifisch zu nichtbinären Menschen. Letzterer Begriff ist auch nicht durchwegs beliebt, da er sich von "skolio" ableitet, also gekrümmt (wie im medizinischen Begriff "Skoliose".

Als alternative Begriffe wurden minsexuell, ninsexuell und finsexuell vorgeschlagen. Die ersten drei Buchstaben davon bedeuten "masculine in nature", "non-binary in nature" und "feminine in nature" respektive.

Die ebenfalls (in etwa) gleichbedeutenden Begriffe "Androphilie" und "Gynekophilie" scheinen im LGBTQIA+ Kontext noch etwas weniger verbreitet zu sein, bzw. eher aus der Psychologie zu kommen - sind demnach also  primär Fremdbezeichnungen.

* graysexual (gray ace, grace, graysexuell, grau-sexuell)

Graysexualität ist eine Unterkategorie von Asexualität; graysexuelle Menschen sind solche, die nur selten, nur schwache oder nur unter sehr spezifischen Bedingungen sexuelle Anziehung zu anderen Menschen erleben. Es geht somit um eine Grauzone zwischen asexuell und allosexuell, wobei sich das Erleben doch schon so weit von dem allosexueller Menschen unterscheidet, dass eine Abgrenzung dazu als notwendig oder nützlich angesehen wird.

Die hiermit aufgespannte Grauzone umfasst eine Vielzahl von weiteren Begriffen, die ich hier nicht alle aufzählen kann, da manche davon erst in den letzten Jahren vorgeschlagen wurden und nicht abzusehen ist, welche davon sich etablieren werden.

Graysexualität kann mit anderen Orientierungen kombiniert werden, also z.B. "gray-pansexuell".

* demisexuell (demisexual)

Demisexualität bezeichnet sexuelle Attraktion, die nur aufkommt, wenn bereits eine starke zwischenmenschliche Beziehung aufgebaut wurde. Demisexuelle Menschen erleben also sexuelle Attraktion zu Menschen, die ihnen sehr nahe stehen, aber zu sonst niemanden.

Dies sollte nicht mit der weit verbreiteten Haltung verwechselt werden, nur mit sehr vertrauten anderen Menschen sexuelle Handlungen unternehmen zu möchten - es geht um die Anziehung selbst! Demisexuelle Menschen haben also viele Erfahrungen mit Asexuellen (im engeren Sinn) gemeinsam, da sie vor einer Beziehung z.B. nicht wissen, ob sie auch sexuelles Interesse an der anderen Person entwickeln werden.

Der Begriff "demisexuell" ist neben "graysexuell" einer der etabliertesten aus dem asexuellen Spektrum. Demisexualität kann mit anderen Begriffen kombiniert werden, z.B. "demi-homosexuell".

* fraysexual (fraysexuell)

Fraysexuelle Menschen erleben sexuelle Attraktion nur zu Fremden; sobald sie jemanden näher kennenlernen, verschwindet diese. Es ist somit in gewissem Sinn das Gegenteil von "demisexuell".

* aegosexuell (aegosexual, autochorissexual)

Der Begriff leitet sich ab von a-ego, hieße demnach also etwa "nichtselbstsexuell". Aegosexuelle Menschen finden andere Menschen zwar in gewissem Sinne sexuell anziehend, dies bleibt jedoch auf einer distanzierten Ebene; möglicherweise sind es nur fiktive Personen, Phantasien oder Bilder, die anziehend wirken, und keine echten Menschen bzw. Körper.

C. Verschiedene Arten von Attraktion


Vor allem aus der Erfahrung von asexuellen Personen, die dennoch romantische Gefühle entwickeln, ergab sich die Notwendigkeit, Unterscheidungen zu machen - in der Folge hat sich das Theoriegebilde weiter aufgespalten und umfasst nun eine ganze Reihe von Attraktionen. Auch wenn es sich im Zuge des Modells von "Split Attraction" getrennt auflisten lässt, ist es für viele Individuen schwer, ihr eigenes Erleben in diesen Kategorien einzuordnen.

* Sexuelle Attraktion

Andere Menschen sexuell anziehend finden.

* Romantische Attraktion

Andere Menschen auf eine Weise anziehend finden, die den Wunsch erzeugt, mit ihnen eine romantische Beziehung (Liebesbeziehung) einzugehen.

* Sensual Attraction (spontan übersetzt: Sinnliche Attraktion? Sensuelle Attraktion?)

Sich zu anderen Menschen auf eine Weise hingezogen ist, die nicht sexuell, wohl aber sinnlich ist; zum Beispiel ein starkes Bedürfnis nach Körperkontakt (Tastsinn), aber auch andere Sinne können eine Rolle spielen.

* Platonische Attraktion

Sich zu anderen Menschen freundschaftlich hingezogen fühlen.

* Ästhetische Attraktion

Andere Menschen ästhetisch/hübsch und damit anziehend finden - aber womöglich ohne den Wunsch, der Person sexuell/romantisch oder sonstwie nahe zu sein.

* Crush

Verliebtheit - intensiv erlebte romantische Attraktion zu einer bestimmten Person.

* Squish

Das platonische Äquivalent zum Crush - intensiver Wunsch, mit einer Person (eng) befreundet zu sein.

D. Romantische Orientierungen


Im Prinzip lassen sich zu allen sexuellen Orientierungen, die oben in Teil B aufgelistet sind, analoge romantische Orientierungen bilden, also z.B. panromantisch, heteroromantisch, homoromantisch, usw.

Einige Begriffe werde ich aber hier noch spezifisch anführen.

* aromantisch (aro)

Aromantische Menschen im strengeren Sinn fühlen sich nie zu anderen Menschen romantisch hingezogen. Genau wie bei Asexualität ist aber auch hier ein ganzes Spektrum mitgemeint ("Aro-Spektrum") Viele der Begriffe aus dem asexuellen Spektrum haben ihr aromantisches Gegenstück.

Wenngleich viele aromantische Menschen auch asexuell sind, so fallen diese Orientierungen nicht unbedingt zusammen. Damit kommen neue Vorurteile zustande: Wenn sie an Personen denken, die sexuelles, aber niemals romantisches Interesse an anderen Menschen haben, stellen sich viele vor, dass es sich dann zwangläufig um promiskuitive Leute handelt, die von einem One-Night-Stand zum nächsten eilen und sich nie an andere Menschen binden.

Die Abwesenheit von einer romantischen Beziehungen heißt aber nicht, dass es nicht andere dauerhafte zwischenmenschliche Bindungen geben kann.

Ein gebräuchliches Symbol der Aro-Community ist der Pfeil (arrow).

* demiromantisch (demiromantic)

Analog zu demisexuell - romantische Gefühle kommen erst auf, wenn eine enge Beziehung (z.B. Freundschaft) bereits aufgebaut wurde.

* frayromantisch (frayromantic)

Analog zu fraysexuell - romantische Gefühle tauchen vor allem gegenüber fremden Personen auf, verschwinden aber bald, sobald eine Person näher bekannt wird.

* quoiromantisch (WTFromantisch)

Dieser Begriff bezeichnet Menschen, die von sich nicht sagen können, ob sie romantische Attraktion erleben, oder sich eher platonisch (freundschaftlich) zu anderen Menschen hingezogen fühlen.

* grayromantisch (grauromantisch)

Wiederum analog zu graysexuell - Personen, die nur sehr selten, sehr schwach oder nur unter spezifischen Bedingungen romantische Attraktion erleben, können die Bezeichnung grayromantisch für sich passend finden.

E. Weitere Begriffe


 * queer

Manche Menschen (wie ich) lieben es, Begriffe kennenzulernen und die vielen individuellen Erfahrungen von Menschen, die sie verwenden, miteinander zu vergleichen. Für andere ist das jedoch uninteressant, oder sie finden es mühsam, sich selbst mit einer komplexen Reihung von Begriffen zu bezeichnen ( "Hallo, ich bin grey-polysexuell und quoi-homoromantisch..." ). Das kann ein Grund für Menschen sein, sich hauptsächlich als "queer" zu bezeichnen, wenn sie nach ihrer Orientierung gefragt werden.

Für andere ist es ein politischer Begriff, um sich selbst außerhalb der Norm zu positionieren (und diese Norm, oder die Ungleichbehandlung, die zwischen Menschen innerhalb und außerhalb dieser Norm besteht, zu kritisieren.)

Und - wie schon bei den Geschlechtern erwähnt - ist "queer" einer der gebräuchlisten Überbegriffe für die gesamte LGBTQIA+ Community, eben als Queer Community. Da es ursprünglich ein Schimpfwort war, finden sich im englischen Sprachraum auch noch (vor allem ältere) Menschen, die sich nicht so bezeichnen wollen, hier ist also etwas Feingefühl angebracht.

Ich spreche zwar selbst oft von der "Queer Community", wenn ich aber mit Leuten zu tun habe, bei denen ich mir nicht so sicher bin, wie sie mich verstehen, sage/schreibe ich LGBTQIA+. Warum? Weil es eine Menge Spaltungen gibt, und viele Gruppen sich gegenseitig ausschließen wollen. Am stärksten betroffen sind davon derzeit asexuelle und aromantische Menschen, was noch dadurch verstärkt wird, dass viele, auch z.B. queere Vereine, das "A" als "Allies" lesen, d.h. Verbündete. Das führt das Kürzel LGBTQIA+ allerdings ad absurdum, denn damit würden Menschen, die selbst nicht von diesen Arten von Diskriminierung betroffen sind, plötzlich zu den anderen dazugepackt, und "LGBTQIA+" ist plötzlich nicht mehr synonym mit "queer".

* fluid (fluide)

Dieser Begriff kann sich auf sexuelle oder andere Orientierungen beziehen, und drückt aus, dass sich die Orientierung einer Person im Laufe des Lebens öfter ändert; das kann sich ebenso auf kurze Zeitabstände beziehen wie auf ein gesamtes Leben.

Für sehr viele Menschen ist die Orientierung etwas statisches; für den politischen Aktivismus ist dieser Umstand oft wichtig zu betonen ("wir sind schon so geboren, ihr könnt uns nicht zwangstherapieren"). Nichtsdestotrotz gibt es aber eben auch Menschen, für die das nicht so sehr gilt.

Menschen, die sich im Bezug auf sexuelle Orientierung fluide erleben, finden sich aber meistens auch in Begriffen wie "bisexuell" oder "pansexuell" wieder.

* aceflux

Fluidität bzw. Veränderlichkeit in Bezug auf das asexuelle Spektrum. Aceflux Menschen könnten zum Beispiel erleben, eine längere Zeit keinerlei sexuelle Attraktion zu haben, dann aber schon wieder. Aceflux ist damit eine Unterkategorie von gray-romantisch.

* queerplatonisch (queerplatonic, quasiplatonic)

Queerplatonisch ist eine Bezeichnung für eine Beziehungsform, bei der Menschen eine enge Bindung zueinander haben und ähnlich viel Zeit darin stecken wie andere in eine romantische Liebesbeziehung - aber es dennoch auf einer freundschaftlichen Basis passiert.

Nur weil eine Person asexuell und aromantisch ist, heißt das nicht, dass es überhaupt kein Bedürfnis nach emotionaler Bindung gibt, das z.B. in einer Art Partnerschaft erfüllt werden könnte.

* cupioromantisch (cupioromantic)

Eine Bezeichnung für aromantische Menschen, die ein Bedürfnis haben, in einer Beziehung zu leben, obwohl sie sich nicht zu anderen romantisch hingezogen fühlen.

* sex-repulsed

Nicht alle asexuellen Menschen finden Sex an sich unangenehm, "sex-repulsed" bezeichnet diejenigen, die am liebsten niemals irgendeine Form von sexuellen Kontakt wünschen.

* romance-repulsed

Analog zu sex-repulsed: aromantische Menschen, die allein die Idee einer romantischen Beziehung bereits unangenehm empfinden.

* pan-cake

Innerhalb von Ace-Communities hat sich Kuchen (cake) als ein Symbol für Asexualität entwickelt, aus Sprüchen wie "Wer braucht schon Sex, wenn er*sie Kuchen hat!". Panromantische Asexuelle haben daraus das Wortspiel pan-cake als Eigenbezeichnung gemacht.

~ ẞ ~

Mittwoch, 15. August 2018

Why Do I Like ... Latvian?

Three years after learning my first latvian words - "towel", "brick" and the numbers from one to ten, as far as I can remember - I'm still spending time with this language. Which is not spoken by anyone in my immediate vicinity, but by a relatively small population worldwide, most of them in a country that I probably won't be able to visit again in the foreseeable future, if ever.

So the question is: Why? What is it about Latvian specifically, that keeps me coming back to it again and again?

~ ẞ ~

Sure, meeting some cool Latvians helped, in the beginning. I had such a hard time trying to pronounce the word ķieģelis for over a month, failing and failing again, to the amusement of said Latvians around me.

But if it was just that, I would have moved on to other languages by now. So what do I like about Latvian?

~ ẞ ~

First of all, it is an indo-european language, which means whatever is left of the latin grammar I learned at school can in theory be applied. In fact, there are quite a few words that are recognizably close to Latin. ignis (latin) uguns (latvian) comes to mind.

Second, it is neither a germanic nor a romanic, nor a slavic language, albeit the latter is somewhat arguable - slavic and baltic language share a lot of similarities. I wanted something that is a little different - both romanic and germanic languages are ubiquitous in Europe, and, well, the next big city from where I live is the capital of a slavic country. If I sit in the Viennese underground long enough, I will inevitably hear people speak several different slavic languages. Learning Czech would simply have made too much sense, which is boring to me.

So if I wanted to stay within the indo-european family, and staying with a latin script (because learning a different writing system is not something I enjoy), I still had several options: Albanian, celtic languages, and baltic languages. Celtic languages are cool and I definitely enjoyed them as well, but .. for now, at least, Latvian won this little contest. The rest is Sunk Cost Fallacy. ;-)

~ ẞ ~

Latvian spelling went to several reforms; if I look at how it was spelled before the 20st century, I can barely it - the spelling back then was based on german to large extent.
The current system has a lot of extra letters, some of which are shared with slavic languages, some of which are unique. Sadly, the letter Ŗ had been removed in one of the reforms, but Ķ, Ņ, Ļ remain and are so characteristic that you can basically immediatly tell that a text is latvian if you see one of them.

The grammar is strictly gendered. You might assume that I hate that, and you're not wrong, but on the other hand, I like how strict it is applied to words. Male nouns have to end on -s, female nouns have to end either on the vowels -e, -a or on -s. In nominative case, anyways.

And since Latvians have only gained autonomy at the end of the last century, there is a strong tendency to overdo it, when it comes to keeping their language clean. (Yes, this has a nationalist vibe, and I don't like nationalisms, ever - but I'm speaking about the aesthetics of the language itself here.)
Foreign names are rigorously translated, and the grammatical gender is attached to it. Thus, New York becomes Ņujorka, Würzburg becomes Vircburga, Nordrhein-Westfalen becomes Ziemeļreina-Vestfālene. Yes, cities are always female, apparently. The same happens to persons: Arnold Schoenberg is Arnolds Šēnbergs, there is Volfgangs Amadejs MocartsAngela Merkele, and Džoanna Roulinga.

Grammar sometimes even overrules spelling, leading to words like spožs, in which the final -s is not spoken. I rather like that feature. Also viss is written like that so that you know the declination - there are normally no double consonants.

~ ẞ ~

"Native" latvian words lack the letters f and h.  The language is rich with my favourite vowel - u - and there are a lot of consonant clusters, but it's not as fiendishly clustered as czech. The letter o is a diphtong, except in loan-words.

Speaking of loan-words, there are quite a few... a lot are from different variations of german, but also from swedish and nordic languages - and since Old Norse is basically one of the ancestors of modern english, there are occasionally weird similarities where you just wouldn't expect them.

~ ẞ ~

Latvian grammar is hard. The declinations and conjugations overlap in a way that most of the time, I have trouble to even decide if some word is a verb or a noun, or something else. There are no articles, and the only way to make a distinction between a book and the book is in ... adjectives. Which means you can only say the book if you say the red book. I thought this was weird, but I have to admit it kind of makes sense - after all, if you speak about a specific thing, you might as well throw in an adjective to tell which one.

Anyway, I have been rambling a lot. I can't possibly give an impression of a whole language in a blog post. It is very likely that I will find some other language that fascinates me, and for better reasons, maybe ... but for now I mostly stick to Latvian.

~ ẞ ~

Appendix... a list of some of my favourite latvian words:

trokšņot
ķieģelis
tumšs
raksts
tauriņš
uguns
galdauts
raktuve
neaizmirstule
šausmīgs
koks
bet
viņš
desmit
sarkans
rags
pils
dvielis

Okay, that was extremely random. :-D

Montag, 13. August 2018

Üpdäätle -43-

Moin.
Ein Stück rein in den August sind wir nu.

~ ẞ ~

Mein Gamification-System läuft noch, und momentan zeichnen sich folgende Tendenzen ab:

  • Das Spielfeld lässt sich relativ schnell erkunden, auch ohne alle Quests zu machen, dadurch bleiben viele Sachen unerledigt
  • Am meisten Boost gibt das Ganze immer noch fürs Aufräumen: Mein Zimmer ist so ordentlich wie seit Jahren nicht mehr.
  • Orchesterstück-Quests sind im Moment etwas zu schwierig gestaltet; ich dachte mir ja etwas aus, dass "2 Takte instrumentieren" eine relativ leichte Quest ist, während "1 Stunde daran arbeiten" etwas schwerer ist... dann gibt es auch noch "8 Takte instrumentieren". Aber das Ding ist, die Takte sind sehr unterschiedlich, und es gibt gar keine so klaren Grenzen. Während ich einen Takt plane, muss ich ja auch schon die nächsten im Kopf haben. Sprich, das Schema "Soundsoviele Takte instrumentieren" klappt überhaupt nicht, es wäre besser gewesen, einfach nur auf Zeiteinheiten zu gehen. Dabei ist allerdings eine Stunde bereits wieder soviel, dass es mich im Moment eher überfordert. Wenn ich bereits eingearbeitet wäre, wäre eine Stunde nicht viel, aber da ich momentan mit relativ wenig Selbstvertrauen herangehe und ständig herumüberlege, ob die Lösung, die ich da gerade mache, nicht totaler Blödsinn ist - vergeht eine Stunde sehr sehr zäh.
  • Der Erkundungseffekt lässt etwas nach, da ich beim Aufdecken mehr oder weniger nur denke "Ach ja, wird schon wieder so ne Quest sein, die ich eh schon öfter hatte..." Sprich, für Level 3 müsste ich mir noch mehr Abwechslung, Seltsamkeiten, überlegen. Was schwierig ist, da ich ohnehin schon eine sehr große Zahl verschiedener Quests habe.
  • Was sehr gut klappt, ist die Möglichkeit, Quests im Voraus zu erledigen und dann zu speichern. Ansonsten wäre ich total steckengeblieben, weil ich eben manchmal selbst weiß, dass X eigentlich Priorität hätte, aber wenn ich gerade keine Quest dafür aufgedeckt habe, ich nicht weiterkomme damit. Nur ist der Nebeneffekt, dass es weniger Rolle spielt, was ich aufdecke, was eben den Reiz des Spieles etwas vermindert.
  • Daher hab ich mir als Siegbedingung gesetzt, 5 Wald-Quests zu lösen. Waldfelder werden ebenfalls zufällig aufgedeckt, und ein Wald gilt als gelöst, wenn alle Quest die direkt an den Wald grenzen, gelöst sind. Dabei gilt das reine Durchqueren nicht, es muss also wirklich genau diese Quest gemacht werden, und nicht etwas anderes. Das macht es schwierig, und ich überlege mir schon, welche Wälder ich lieber in Ruhe lasse.
  • Rekursivität: Ich erledige mit dem Schreiben dieses Textes eine Blog-Quest, damit wird etwas neues aufgedeckt; theoretisch könnte ich wieder eine Blog-Quest aufdecken, und dann hier darüber schreiben, dass das passiert ist... naja, wäre geschummelt, das lasse ich nicht so gelten. ;-)

~ ẞ ~

Ansonsten: Ich höre Musik für den Gebrauch - wie Kaffee im Prinzip. Computerspielmusik auf Dauerschleife, die mich aktiviert und während der ich gut schreiben kann.

Ich schreibe viel, weil - gerade wieder WBO ist, Weltenbastler-Olympiade, und ich mir dieses Jahr wieder das Ziel gesetzt habe, auch überall etwas abzugeben, wo ich mich angemeldet habe. Bis jetzt mit Erfolg... und es macht viel Freude, dabei entweder fast leere Welten zu erkunden, oder in Gegenden vorzudringen, wo ich noch nicht war.

Die WBO kostet viel Energie, und dadurch gehen andere Projekte langsamer voran, als ich es gerne hätte. Aber: Sowohl an Orchesterstück als auch an Diplomarbeit geht etwas voran, und das ist mehr, als ich das letzte halbe Jahr sagen konnte. Mal von den Jahren davor zu schweigen, wo ich nur hilflos am Suchen nach einem Ansatz war.

Hier im Blog habe ich noch vor, meine LGBTQIA-Begriffserklärungsserie weiterzuschreiben... das ist gefühlt aber auch ein eher schwieriges Projekt. An Teil 1 bin ich sehr lange gesessen, und hab außerdem noch Feedback eingeholt, und nochmal überarbeitet... da frage ich mich im Moment gerade ein bisschen, wieviel Perfektionismus da wirklich notwendig ist. Das fertige Projekt kann ich aber dann zumindest als Referenz verwenden, um z.B. meiner Familie zu erklären, was zur Hölle mit mir eigentlich los ist. :-D

Zwischendurch hab ich das Parque Del Sol besucht, ein jährlich in St.Pölten stattfindendes Kunstfestival:
Ich gebe aber zu, dass der eigentliche Anreiz, dort hinzufahren, für mich meist der Park selbst ist - ein schlicht immer wieder sehr schön gestalteter Ort, bei dem es immer wieder Neues zu sehen gibt. Das Programm wäre vermutlich auch interessant, zumindest teilweise, aber ich verpasse eh immer alles (es ist ja mehrtägig und ich fahre nur für einen Nachmittag/Abend hin) und für Buchlesungen oder derlei habe ich ehrlich gesagt nicht den Kopf für. Immerhin hab ich am Stand der St.Pöltner Gutmenschen vorbeigeschaut - lokaler Aktivismus gegen die vorherrschende Kultur von sich online ausrotzenden Rechten ist sehr zu begrüßen.

Ist diese epische Weide nicht eine Freude?

~ ẞ ~

Und zuguterletzt: Zum Lesen habe ich auch etwas gefunden. Bzw. habe mich nach einem Jahr guten Zuredens überzeugen lassen, mit etwas zu beginnen. The Gods Are Bastards ist eine Webfiction, die lang genug ist, dass ich mir über den Rest des Sommers keine Sorgen machen muss, dass mir der Lesestoff ausgeht. Und das ist ... ein Freizeitfüller, der wichtig ist, damit ich dazwischen in einer guten Verfassung bin, weiter einigermaßen produktiv zu bleiben.

~ ẞ ~


Donnerstag, 26. Juli 2018

10 Jahre Gamification & mein aktuelles Spielsystem


Das ist der Endstand von Level 1 des Spieles, mit dem ich derzeit meinen Alltag organisiere.

~ ẞ ~

Gamification-Methoden für zu erledigende Aufgaben verwende ich jetzt schon seit über zehn Jahren. Angefangen hat es in meinem Maturajahr; mit einem Zettel, auf dem ich einen Punktestand dokumentiert habe, und mir für bestimmte erledigte Aufgaben oder Erreichtes Punkte vergeben habe. Umgekehrt haben bestimmte Belohnungen Punkte gekostet. Gescheitert ist das Spiel daran, dass ich mir einige Belohnungen gegönnt habe, ohne dafür die nötigen Punkte zu haben - nachdem ich also einmal geschummelt hatte, war das Spiel quasi entwertet.

Zwischendurch war ich etwa eineinhalb Jahre auf Habitica (damals hieß es noch HabitRPG), einem Online-Tool, das vom Prinzip her nicht so viel anders funktioniert. Allerdings ist es bei Habitica so gedacht, dass unterschieden wird zwischen daily quests und anderen Quests. Für das Auslassen einer täglichen Quest verliert die Spielfigur Hit-Points, während für andere Quests nur gilt, dass sie umso mehr Gold abwerfen, je länger sie bereits aufgeschoben wurden. (Dadurch soll Motivation dafür aufgebaut werden, etwas anzugehen, das schon lange liegt - gleichzeitig ist natürlich das Problem, dass so auch Motivation dafür erzeugt wird, dass etwas liegengelassen wird!)
In Habitica selbst sind Belohnungen natürlich nicht direkt eingebaut, da diese ja individuell funktionieren. D.h. die Spieler*in definiert eben, dass eine Belohnung soundsoviel Gold kosten soll, und klickt dann manuell, dass Gold abgezogen werden soll. Das ist einigermaßen unelegant, geht aber wohl nicht anders.

Ein weiteres Problem war, dass das ganze natürlich online war, und ich selbst keine Kontrolle darüber hatte, Fehler zu korrigieren - etwa, wenn ich eine Quest eigentlich gemacht hatte, aber vergessen, sie anzuhaken. Was insbesondere dann blöd ist, wenn ich schon schlafen gehen möchte, und den Computer gerade ausgeschaltet, und mir dann einfällt, dass ich das Häkchen bei "Früh Schlafengehen" noch gar nicht angehakt habe...

Wirklich ein Problem wurden mir aber die daily quests. Nichts ist demotivierender, als an einem Tag, wo aufgrund von Depression ohnehin schon nichts weiterging, auch noch im Spiel Hit-Points zu verlieren. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis mir dieses Problem wirklich bewusst wurde - und dann habe ich Habitica aufgegeben, und beschlossen, mir wieder etwas zu bauen, dass auch offline funktioniert. Und ohne den ganzen komplizierten Schnickschnack von Habitica - ich konnte dort nie so recht durchschauen, warum ich wieviel Gold für etwas bekam, und es war auch eine Menge Zufall dabei, der sich falsch anfühlte, weil ich ihn nicht verstand.

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Ich mache einen großen Sprung vorwärts. Ich hatte zwischendurch verschiedene Systeme gehabt, manche auch spielhafter, manche sehr langweilig aber effizient.

Im Verlauf meiner Psychotherapie habe ich Faktoren erkannt, wie ich mir selbst das Leben schwer mache, und mein Spielsystem dann schließlich möglichst weit daran angepasst.

Weil es mir etwa besonders schwer fiel, Dinge anzufangen, habe ich die Punkte innerhalb von Aufgaben in verschiedene Kategorien unterteilt. Das wichtigste Konzept dabei ist Minimal Effort bzw. Incipit, wie ich es genannt habe. Es bedeutet, dass ich bereits für das Anfangen Punkte bekomme, selbst wenn es dann dabei bleibt, und ich sogleich wieder damit aufhöre.

Der Witz daran ist, dass ich selten, wenn ich angefangen habe, wirklich gleich wieder aufhöre. (Obwohl es mir erlaubt wäre, und ich dafür dann auch wirklich meine Punkte bekäme) Wenn die Hürde des Anfangens einmal überwunden ist, fällt das Weitermachen nicht so schwer.

Bei meinem aktuellen Hauptsystem gibt es diese Kategorien:

Incipit / End / 1h / 2h / Unit

End kommt nur bei wenigen Tasks zum Einsatz - vor allem bei Vorlesungen, wo ich mir dann eben für das Incipit (Hingehen) und für das End (bis zum Ende dort bleiben) separat Punkte vergebe.
Bei anderen Tasks ist die Zeit wichtiger, dementsprechend gibt es für das Erreichen einer 1-Stunde-Marke oder 2-Stunden-Marke Punkte. Unit schließlich ist ein Sammelbegriff, der je nach Task unterschiedlich definiert werden muss.

Dieses Hauptsystem sitzt bei mir derzeit in einer Txt-Datei, die bei jeden Hochfahren des Computers automatisch als erstes gestartet wird. Ich sehe also immer gleich, wieviele Punkte ich aktuell habe, und darunter ist die Tabelle der Aufgaben:


Wie gesagt, die Incipit/MinimalEffort Spalte ist die wichtigste für das Funktionieren. Das muss natürlich individuell angepasst werden; für mich ist das Anfangen eben bei Weitem die größte Hürde. Die Punkte übertragen sich dann in Euro (2 Punkte = 1 Euro, wobei manche Sachen, wie etwa Süßigkeiten, noch "besteuert" werden und wesentlich mehr kosten als nur ihren Punktepreis in Euro).

Dieses Hauptsystem erfüllt zwar den Zweck, alles zusammenzuhalten, ist aber als Spiel nicht besonders spannend. Deswegen habe ich dann vor einem Monat beschlossen, dass ich zum Zwecke zusätzlicher Motivation innerhalb des Hauptsystems noch ein Spiel starte:

Um ein Startfeld herum liegen weitere Sechseckfelder. Jedes einzelne Feld wird zunächst einmal erwürfelt. In diesem Fall zuerst mit einem W3:
1 - bodenloser Abgrund
2 - leichte Quest
3 - schwere Quest
Am Anfang hatte ich ziemlich Pech und habe mich zwischen vielen Abgründen gefunden (wie auf dem Bild auch zu sehen).

Für die Zuteilung der Quests habe ich zwei weitere Listen erstellt, einmal für leichte, dann für schwere Quests. Unter den leichten Quests finden sich viele Aktivitäten, die im Prinzip eher Freizeitaktivitäten sind - im Bild zu sehen etwa LETT für eine Stunde Lettischlernen. Gekennzeichnet habe ich die Questart am Spielfeld durch einen oder zwei Punkte vor dem Kürzel. Der Doppelpunkt bei :DIP steht also dafür, dass es sich hierbei um eine schwere Quest handelt.

Natürlich sind die Listen so gewählt, dass die aktuellen Prioritäten öfter gewürfelt werden, als eher nebensächliche Aktivitäten. Die Auswahl der Quest geschieht mit einem W20, bei dem ich eben manchen Aktivitäten gleich drei oder vier Zahlen zugewiesen habe.

In Level 1 war die oberste Priorität das Aufräumen. Daher gab es diese Quest in zwei Fassungen; einmal als leichte Quest ("ein bisschen aufräumen" - ganz ähnlich einem Incipit) und als schwere Quest ("eine Stunde aufräumen").

Nur für schwere Quests gibt es hier Punkte - diese werden direkt ins Hauptsystem übertragen, das ich oben schon vorgestellt habe. Die Spiele greifen also ineinander. Leichte Quests hingegen bringen eigentlich nichts, außer am Spielfeld voranzukommen.

Und gerade darin, im Aufdecken von neuen Feldern, liegt der große Reiz dieser Spielart für mich. Ich bin ein unsäglich neugieriger Mensch - der Umstand, dass ich nicht weiß, welche Quest sich hinter dem nächsten Hexfeld verbirgt, macht es ungeheuer motivierend, eine Quest zu erledigen, einfach nur, um das zu erfahren.

Genau aus diesem Grund ist der Zufallsfaktor in diesem Spiel auch so hoch angesetzt. Weil es um das Erkunden einer anfangs zugedeckten Karte geht.

Hier ist der Level 1 noch in etwas fortgeschrittenerem Stadium zu sehen:

Das :DIP-Feld blieb über eine sehr lange Zeit, fast bis zum Schluss, unaufgedeckt, und versperrte mir den Weg nach links, deswegen habe ich mich primär nach unten und rechts ausgebreitet, wo ich auf deutlich weniger bodenlose Abgründe stieß. ;-)

Als Siegbedingung habe ich mir - in etwa zum Zeitpunkt des letzten Fotos - dann mehrere Bedingungen festgelegt, unter anderem, dass ich drei Spielfeldränder erreichen müsse, und dass ich insgesamt 8 Randfeldquests erfüllt haben müsse.

~ ẞ ~

Ich war dann schon recht begierig auf Level 2. Dafür habe ich etwas umgebaut, eine dreifache Unterteilung in leichte, schwere und "heavy" Quests gemacht. Letztere bringen noch etwas mehr Punkte als schwere Quests. Die Auswahl funktioniert mit einem W10 mit folgender Belegung:

0-2 : Void / Abgrund
3-5 : Leichte Quest
6-7 : Schwere Quest
8-9 : Heavy Quest


Drei Listen zu haben, macht es allerdings etwas unübersichtlicher, außerdem ist die Wahrscheinlichkeit für jede einzelne Zahl, gewürfelt zu werden, nun schon ziemlich klein geworden. Für eine leichte Quest auf nur einer Ziffer des W20 ist die Wahrscheinlichkeit, auf einem neu aufgedeckten Feld zu liegen 3/200, also 1,5 Prozent. Das ist schon sehr wenig.

Außerdem habe ich noch ein weiteres Spielelement eingeführt - es kann auch manchmal ein Monster aufgedeckt werden, und dann werden mir Hit-Points abgezogen. Diese kann ich wieder regenerieren, indem ich diverse Selfcare-Tasks mache (die nicht auf den Questlisten stehen, sondern nochmal extra).

Jetzt bin ich 2 Tage im zweiten Level und habe festgestellt, dass ich mit dem System nicht so recht zufrieden bin, und wieder etwas umbauen muss. So sieht Level 2 nun aus:

Ich hatte auch hier wieder krasses Würfelpech - der gesamte linke Rand ist ein einziger bodenloser Abgrund. ;-)

Nun wird Level 2 noch einmal aufgesetzt - ich werde nicht viel ändern, nur das Monster werde ich wieder rausnehmen - dafür werde ich aber ein Spielelement hinzufügen, das es mir erlaubt, hin und wieder auch Felder zu durchqueren, ohne die exakte Quest darauf zu erledigen. Etwa ein System, dass 3 beliebige schwere Quests reichen, um ein schweres Questfeld zu durchqueren. (Das wird dann aber nicht ausgemalt, sondern bekommt nur einen Punkt als Durchquerungssymbol. Ich kann die Quest dann später immer noch machen, um die Punkte zu kassieren.)

Da ich das Monster und die Hit-Points entferne, werde ich etwas ähnliches wohl mit den Self-Care-Tasks machen. Vllt die Anzahl der Abgründe reduzieren, dafür aber gelegentlich mal freie Felder - um diese zu durchqueren, muss einfach nur etwas beliebiges erledigt werden.

Auf diese Weise hoffe ich, dass das ganze flexibler wird, und motivierender ist. Es ist nämlich einfach unbefriedigend, an einer Stelle festzusitzen wo ich nur entweder
a) schwere Quests habe, denen ich mich vom Energielevel her gerade nicht gewachsen fühle oder
b) Tasks, die eigentlich grad völlig sinnlos sind, während andere Sachen, die eigentlich erledigt werden sollten, nicht am Spielfeld vorhanden sind.

Wünscht mir Glück, dass Level 2b besser funktioniert. :-)

~ Jundurg Delphimė

Mittwoch, 25. Juli 2018

BEHOLD! I bring to you the ten commandments

... according to Google Translate:

~ ẞ ~

All these words are God. I am happy for God and Egypt.

1. There is no god at all.

2. Heaven and earth are good, God is not a god.

3. God is a living, not God-oriented reason.

4. My father hugs animals on Sunday. It will be fairness.

5. Tell your family.

6. Do not drop.

7. Make a rich marriage.

8. Play music.

9 Do not trust your neighbor.

10. I want close friends or friends, wife's wife, friend's friend, friend or brother.

~ ẞ ~

(made with the same technique as this one, but selecting the best lines from different iterations. :-) )

~

Commandments 4, 5, 8, 9 and 10 are definitely good life advice, in my opinion. I am tempted to start a religion. It will be fairness.

Samstag, 21. Juli 2018

"Some roads are hidden and other roads are away." - Google Translate Poetry

I've put some lyrics into GoogleTranslate and iterated it through almost every language it offers. (This is not a new idea, but definitely a fun thing to do on a free-ish afternoon.) The original text was a passage from Bernstein´s Candide, written by Richard Wilbur. I will not put the original version in this post, because I like to keep it a bit more mysterious. Also, I add extra line breaks for a more poetic reading experience.

~ ẞ ~

After some iterations, this was the first result. The author hasn't quite found their voice yet, but at least they are certainly showing some promise, even if their grammar tends to be overly complicated:

No. 1

Do not hesitate to think
that I might be irritating and angry,
but in fact I said
that I had a good life in this castle castle
and I would go every day.
I liked much and do not know
that they do not know
that their black party in this world.

I took the family ferns,
I wrote a crown
and dropped half of my dough.

He was wrong and met
and went away several times;
he was forced to stop all enthusiasm;
But recently, I believe
that the practical result
is comfortable and avoidance!

I am fascinated with the poet´s ability to write themself a crown. Also, "castle" is such an important element that it has to be said twice.

~

Several iterations later... there is definitely some existential angst coming to the surface, mixed with some lines about ... food?

No.2

It does matter, but they believe
they are problematic and difficult,
but it is considered
as a wonderful life
in the palace and in everyday life.

I really like them,
and I do not know,
you do not know what is
in this part of the black and white world on earth.

On the bunches of fungus,
on the crown and on the left of the pastry.

Some seasons went into the accident
and they went away because of some traffic.
Why do you think it's a recent event,
worship, and salvation?

~

A few iterations further down. I particularly like the line about roads - the author clearly found a way to express their feelings. A sharp contrast between the rich people in palaces and the author´s own longing for a place in the world.

No.3

I believe they are problematic
and complicated,
but they seem to be a beautiful life
in the palace and everyday life.

I love them and you do not know
what this black and white part is.

Crown and dessert on the left side of the grass.
Some roads are hidden and other roads are away.

Why is this the youngest event,
worship, security?

~

It has become quite a bit shorter already, as you can see. There are no big changes from No.3 to No.4 - mostly the author´s intent became clearer, in my opinion - but somehow, a sweater entered the narrative:

No.4

We believe they are difficult
and difficult,
but they seem to live a beautiful life
in everyday life
and everyday life.

I like it, but I do not know
it's black and white.

The crown and sweater on the left side of the pool.
Some roads are secrets and other roads are left.
What is the reason for this situation?

~

The author corrects their mistake - it wasn't a sweater, it was a jersey. And they got rid of the crown. Apparently it turns out you can't write yourself into royalty that easily. Which might be the reason why they urge the reader to see that the only way to go is to the political left, even if we do not know what got us into this mess. The first part seems to refer to the upper-class?

No.5

We believe they are heavy
and heavy,
but they seem to live a rich life
of everyday life.

I liked it,
but I did not know it was white.

Necklace and jersey on the left side of the tank.
Some of these are deeper but the remaining steps are left.
What's the cause of this situation?

~

In the next version, the author has decided to drop any pretense of a happy life. The individual gets reduced to himself, and ... I admit I have no clue what this line about clothing on the beach is about. But there seems to have been a tragic event, and only some people survived.

No.6

They are hungry, thirsty,
but want to live globally.

I, but I think it's not just that.

Clothing is also on the beach.
Some of them are left.
Who helped?

~

In this next iteration, the author has turned towards spirituality - is there a world beyond this one? Does the plight of the starving people on earth make any sense? I especially like the missing question mark at the end.

No.7

They are hungry, lucky,
but they want to live in the world.
But I think this is not the only one.

There is also trash.
Some of them have left.

Who helps

~

Apparently, looking for solace in religion did not work out, and the author returns to a more dadaistic style to express their angst:

No.8

They are hungry, but wanting to live in the world.
But I think this is not one
Crops
Who went out?

~

The language becomes more and more condensed. Still this lingering question at the end - is there someone out there to help?

No.9

People are hungry, and in the world.
But no one
plant
Who's there?

~

A preference for shorter phrasing characterizes the tenth iteration. The author has turned away from looking towards religion again - now the question is much more mundane, looking to another human for solace:

No.10

Everyone's hungry.
we had
factory
Who is this?

~

Finally, we have reached a state of exhaustion - humans are reduced to their basic needs - food, sex, contact to other people:

No.11

Everyone is hungry.
sex
phone
Who is this?

~

One last change - personhood has become irrelevant, the only question is about what, not whom.

No.12

All hungry
Sex
phone
What is it?

~

Mittwoch, 18. Juli 2018

LGBTQIA+ Begriffsdschungel - Teil 1: Geschlechter, Geschlechtsidentität

Mit diesem Projekt möchte ich eine kleine Runde durch die aktuellen Begriffe aus den LGBTQIA+ Bewegungen drehen, und dabei hoffentlich die wichtigsten abdecken. Mir selbst geht es immer noch öfter mal so, dass ich plötzlich noch über einen Begriff stolpere, den ich noch nie gehört habe, obwohl ich schon jahrelang Diskussionen mitverfolge. Ich weiß nicht so genau, wer meine Zielgruppe für diese kleine Serie ist - aber vielleicht stolpert auch die Leser*in jetzt wieder über irgendetwas neues. Oder er*sie stolpert, weil ich irgendwo einen totalen Mist geschrieben habe, kann auch sein. ;-)

Mindestens so sehr wie für andere schreibe ich das ganze aber auch für mich selbst - ich dokumentiere sozusagen meinen derzeitigen Wissensstand. Bestimmt wird sich einiges in den nächsten Jahren wieder ändern. Sowohl von meinen Ansichten, als auch bei den Begriffen selbst. Viel ist derzeit im Wandel, da sich über das Internet so viele Menschen über Themen wie Geschlechtsidentitäten und Orientierungen austauschen können wie nie zuvor.

Bitte beachtet: Dies ist ein persönlicher Versuch, eine Übersicht zu erstellen, kein "offizielles" Wörterbuch. Ich kann nicht beanspruchen, für andere Menschen zu sprechen, auch wenn ich mich noch so sehr bemühe, so zu schreiben, dass die Meinung eines breiten Konsens widergespiegelt wird, und nicht nur meine isolierte Einzelmeinung. ;-) Wenn jemandem etwas aufstößt, bin ich prinzipiell offen für Kritik, möchte hier aber nicht endlos Energie hineinstecken und werde daher keine langwierigen Diskussionen anfangen - sinnvolle Änderungen vornehmen geht aber natürlich.

Der erste Teil behandelt Geschlechter, Geschlechtsidentität und eine Reihe von Begriffen rund um das Thema.
Der zweite Teil wird sich um sexuelle und andere Orientierungen drehen.
Im dritten Teil werde ich dann noch versuchen, Offengebliebenes zu sammeln. Bis hierhin habe ich ehrlich gesagt noch nicht so genau geplant. ;-)

~ ẞ ~

TEIL 1: Geschlechter, Geschlechtsidentität

( CONTENT NOTE für Pathologisierung von Körpern im Abschnitt A, und Transphobie im Abschnitt C, da es dort dann auch um problematische Begriffe, usw. geht. )

A. Grundbegriffe


* Geschlecht

(Versuch einer Definition) Das Geschlecht einer Person ist eine komplexe Eigenschaft mit vielen Teilaspekten. Im Zentrum steht die Geschlechtsidentität, mit der dann bestimmte Vorstellungen darüber, wie eine Person eines bestimmten Geschlechts aussehen soll oder wie sie sich verhalten soll, verknüpft werden können.

Es hält sich hartnäckig die Vorstellung, dass sich Geschlecht im Wesentlichen auf eine biologische Zweigeschlechtlichkeit zu Fortpflanzungszwecken reduzieren lässt. Dies ist eine sehr westliche Vorstellung; in anderen Kulturen gab und gibt es eine Vielzahl anderer Konzepte. Selbst das Judentum hatte ursprünglich ein System mit deutlich mehr als 2 Geschlechtern.

In westlichen Ländern wird das Geschlecht bei der Geburt zugewiesen - dabei wird auch ein Lineal namens Phallometer eingesetzt, mit dem das Genital des Babies vermessen wird: Ab einer bestimmten Länge "männlich", unter einer bestimmten Länge "weiblich", und dazwischen "intersex" - wobei letzteres leider dann oft als Fehler angesehen wird, der von den Ärzt*innen korrigiert werden "muss". Dabei handelt es sich um schwere Kindesmisshandlung, da dieser Eingriff keinen medizinischen Nutzen erfüllt, außer eben, der Norm zu entsprechen. Das Baby kann klarerweise keine Zustimmung geben, und in vielen Fällen werden noch nicht einmal die Eltern ausreichend informiert.

Wie genau sich die Geschlechtsidentität einer Person bildet, ist unklar. Es scheint mir plausibel, dass eine große Anzahl von Faktoren mitspielt - darunter biologische, kulturelle, und vielleicht auch Prägungen. Jeder einzelne Faktor ist Gegenstand von Diskussionen - es scheint mir aber auf jeden Fall unklug, Geschlecht auf nur eine Komponente zu reduzieren (etwa zu behaupten, es wäre nur Kultur, oder nur Biologie, oder nur Erziehung).

* gender

Der Begriff wurde meines Wissens ursprünglich geschaffen, um zwischen biologischen Körpereigenheiten und sozialen Aspekten zu unterscheiden, insbesondere den Geschlechterrollen - mit dem Ziel, die Ungleichbehandlung, die Menschen verschiedener Geschlechter erfahren, zu thematisieren.

Damit kann beispielsweise sichtbar gemacht werden, dass es nicht die Körper sind, die zu einer bestimmten sozialen Ordnung führen - zum Beispiel, dass es nicht natürlich vorgegeben ist, dass genau zwei Menschen mit bestimmten körperlichen Eigenschaften in einer Partnerschaft zusammenleben müssten, nur weil für die Zeugung eines Kindes eine Eizelle und eine Samenzelle notwendig sind.

Soweit ich sehe, wird der Begriff gender heute meist synonym zu Geschlechtsidentität bzw. Geschlecht verwendet.

* cisgender (cis)

Eine Person ist cisgender, wenn ihr Geschlecht mit dem bei der Geburt zugewiesenen übereinstimmt. Dies trifft auf einen Großteil der Weltbevölkerung zu. "Cisgender" ist ein Adjektiv, es gibt also nicht "einen Cisgender", sondern "eine cisgender Person", oder z.B. "einen cis Mann".

Der Begriff wurde eingeführt, um einen Gegenbegriff zu "trans" zu haben, sodass nicht mehr eine Unterscheidung zwischen "trans" und "normal" gemacht wird - sondern beides normal ist.

* binäre Geschlechter (binary genders)

Die beiden Geschlechter "Mann" und "Frau", die gemäß der in der westlichen Welt weitverbreiteten Überzeugung die einzigen seien. Ein binärer Mann ist jemand, dessen Geschlechtsidentität eindeutig und ausschließlich männlich ist, unabhängig davon, ob dieses Geschlecht bei der Geburt zugewiesen wurde oder nicht.

* transgender (trans)

Eine Person ist transgender, wenn ihr Geschlecht nicht oder nicht ausschließlich mit dem bei der Geburt zugewiesenen übereinstimmt. Der Begriff umfasst ein weites Spektrum von Geschlechtern.

"Transgender" ist ein Adjektiv, es gibt also nicht "einen Transgender", sondern "eine trans(gender) Person". Allerdings wird das Wort leider selbst noch in Vereinen von trans Personen oft als Hauptwort verwendet - wenn dies eine Person für sich selbst so handhaben möchte, ist das natürlich möglich, sollte aber nicht ungefragt auf andere oder die Allgemeinheit übertragen werden. Im deutschsprachigen Raum gibt es generell nur sehr selten Artikel, die einen guten Umgang mit der Sprache bezogen auf trans Personen hinbekommen.

In den Neunzigern und frühen Nullerjahren war der Begriff noch weiter gefasst und bezog auch Menschen ein, die sich außerhalb der Geschlechternorm verhalten, sich anders kleiden (z.B. Drag-Queens, Drag-Kings). Diese Definition ist weitgehend außer Gebrauch geraten.

Das "T" in LGBTQIA+ steht für trans.

* nichtbinär (non-binary)

Eine Person ist nichtbinär, wenn deren Geschlecht nicht eines der beiden binären Geschlechter ist. Es gibt eine große Zahl an nichtbinären Geschlechtsidentitäten, der Begriff alleine ist also zunächst einmal ein Sammelbegriff, der noch nicht unbedingt viel aussagen muss. Es gibt aber auch Menschen, die sich einfach nur als 'nichtbinär' bezeichnen und eine genauere Bestimmung für unnötig befinden.

* intergeschlechtlich (inter, intersex)

Eine Person ist intergeschlechtlich, wenn sie aufgrund körperlicher Merkmale nicht eindeutig in das Schema männlich/weiblich einsortiert werden könnte. Bei vielen intergeschlechtlichen Menschen fällt das erst im Verlauf der Pubertät auf, während es bei anderen schon nach der Geburt festgestellt wird. Viele Menschen erfahren nie davon, wenn z.B. andere Chromosomen vorliegen, die sich aber nicht phänotypisch auswirken.

Intergeschlechtliche Menschen können jede Geschlechtsidentität haben - viele fühlen sich auch mit dem nach der Geburt zugewiesenen binären Geschlecht wohl - es gibt aber auch Menschen, die "inter" für sich als Geschlechtsidentität verwenden. Manche intergeschlechtliche Menschen sind also auch trans, aber nicht alle.

Das "I" in LGBTQIA+ steht für intergeschlechtlich.

Der Gegenbegriff zu "inter" ist "dyadisch".

B. Spezifische Geschlechtsidentitäten


Ich beschreibe alle Begriffe so, wie ich sie derzeit sehe - was hoffentlich meist dem entspricht, wie es Leute sehen, die sie für sich selbst verwenden. Natürlich kann ich aber nicht für andere Menschen sprechen, und was ich hier schreibe, sollte auf keinen Fall als letztgültig angesehen werden, sondern einen Einstieg. Im Umgang mit einzelnen Menschen ist es besser, nachzufragen, wie diese sich selbst oder einen Begriff verstehen. Im Alltag reicht es aber normalerweise, nach der richtigen Anrede - Namen und Pronomen - zu fragen.

* genderqueer

Der Begriff "genderqueer" wird auf einige verschiedene Weisen verwendet.

Einerseits als Überbegriff für nichtbinäre Identitäten - d.h. synonym zu "nichtbinär" - andererseits aber auch als spezifische Geschlechtsidentität, die z.B. für ein "drittes Geschlecht" stehen kann, das nicht so genau definiert sein muss, aber enger gefasst als "nichtbinär", d.h. z.B. wechselnde Identitäten ausschließt. Und schließlich wird "genderqueer" - wie auch "queer", von dem es sich ableitet - auch als verstärkt politisch verstanden, als ein bewusstes den Normen Dagegenstellen. So verstanden heißt genderqueer zu sein, nicht nur, sich außerhalb der zweigeschlechtlichen Norm zu befinden, sondern das auch sichtbar in die Öffentlichkeit tragen zu wollen.

Die Definitionen sind heute etwas unklar. Es gibt auch Menschen, die sich als genderqueer identifizieren, aber nicht als nichtbinär, manche sogar explizit als cisgender; manchmal überwiegt der Bezug zu einer politischen Identität, manchmal ist es mehr eine Selbstbeschreibung.

* agender (ähnlich auch: gendervoid)

Eine Person ist agender, wenn sie sich mit keiner Geschlechtsidentität identifiziert, oder schlicht gesagt kein Geschlecht hat. Typischerweise verstehen sich agender Menschen nicht irgendwo "zwischen männlich und weiblich", sondern komplett abseits der binären Geschlechter.

* demigirl (demiweiblich), demiboy (demimännlich)

Eine demiweibliche Person versteht sich als eher weiblich, aber nicht als binäre Frau. Im Englischen ist vor allem der Begriff "demigirl" dafür verbreitet; "demiwoman" habe ich hingegen noch fast nie gelesen. Analog dazu ist ein Demiboy eine Person, die sich als eher männlich versteht.

Diese Bezeichnungen sind unabhängig davon, welches Geschlecht einer Person bei der Geburt zugewiesen wurde - es kann also eine weiblich zugewiesene Person demimännlich oder demiweiblich sein.

* genderfluid

Genderfluide Menschen haben keine feste Geschlechtsidentität, sondern erleben einen mehr oder weniger häufigen Wechsel zwischen verschiedenen Geschlechtern. Das können sowohl binäre als auch nichtbinäre sein. Das Geschlecht kann z.B. von Tag zu Tag unterschiedlich erlebt werden, oder auch nur langsam im Verlauf von Monaten oder Jahren wechseln.

Manche genderfluide Menschen wechseln auch ihre Anrede und Pronomen regelmäßig. Sowohl körperliche als auch soziale Transition gestalten sich naheliegenderweise kompliziert.

* bigender

Menschen, die bigender sind, erleben sich als (mehr oder weniger) gleichzeitig mehreren Geschlechtern zugehörig. Der Begriff kann sich mit "genderfluid" überlappen, kann aber auch eine Mischidentität meinen, die für sich genommen konstant bleibt.

Analog wird für drei Geschlechter der Begriff 'trigender' verwendet.

Diese Begriffe werden manchmal auch als Selbstbezeichnung eines multiplen Systems (mehrere Personen, die sich einen Körper teilen, wie es z.B. bei einer dissoziativen Identitätsstörung der Fall ist) verwendet, innerhalb dessen es mehrere Personen unterschiedlicher Geschlechter gibt. Es sollte aber niemand annehmen, dass ein Mensch, der sich so bezeichnet, multipel ist.

C. Weitere wichtige Begriffe, veraltete Begriffe, Probleme und Konfliktherde

(CONTENT NOTE für Transphobie, vor allem im unteren Bereich des Abschnittes)

* Transition

Viele, aber nicht alle, trans Menschen streben körperliche oder soziale Veränderungen an. Beispiele für eine soziale Transition sind z.B. ein Wechsel des Geschlechtseintrages in offiziellen Dokumenten (Personenstandsänderung), Verwendung eines anderen Vornamens oder anderer Pronomen im Umgang mit anderen Menschen. Beispiele für körperliche Veränderungen sind z.B. Hormontherapien, Entfernung von Gesichts- oder Körperbehaarung, Entfernung von Brüsten und andere operative Eingriffe.

Wichtig ist, im Auge zu behalten, dass nicht alle Menschen eine Transition machen wollen oder können. Soziale Transition kann je nach Lebenssituation mit großen Risiken verbunden sein, von Ausgrenzung, Schwierigkeiten bei Wohnungs- und Arbeitssuche bis hin zu körperlicher Gewalt, oder - in manchen Ländern - bis hin zur Todesstrafe.

Ebenso gibt es viele medizinische Gründe, aus denen eine körperliche Transition nur schwer, eingeschränkt oder gar nicht möglich sein kann. Viele größere körperliche Eingriffe, gerade Operationen, werden aber auch oft als nicht notwendig fürs eigene Lebensglück angesehen. Eine fremde Person danach zu fragen, ob und welche körperlichen Veränderungen sie vorgenommen hat oder vornehmen möchte, ist extrem unhöflich!

Ob eine transgender Person also eine soziale Transition vornimmt, eine körperliche Transition, weder noch, oder in welchem Ausmaß, hat keinen Einfluss darauf, ob die Person trans ist - das weiß sie selbst am besten.

* Gender-Dysphorie (gender dysphoria)

Dysphorie allgemein meint Unwohlsein mit etwas; Gender-Dysphorie bezeichnet also ein Unwohlsein bezogen auf das eigene Geschlecht oder einen Teilaspekt davon.

Körperliche Dysphorie (body dysphoria) ist am einfachsten zu erklären: Ein Unwohlsein mit Aspekten des eigenen Körpers, etwa Körperteilen (oder deren Abwesenheit), Behaarung, Körpergröße, usw. Um dieser Dysphorie zu entgehen, wird eine körperliche Transition vorgenommen.

Soziale Dysphorie (social dysphoria) bezeichnet ein Unwohlsein damit, wie eine Person von anderen Menschen gesehen wird; also etwa, dass es ihr unangenehm ist, als eine Person eines anderen als ihres richtigen Geschlechtes angesehen zu werden, was sich in Anreden ("Herr XY"), Verwendung von falschen Pronomen ("er ist dort drüben"), Verwendung eines alten Vornamens, usw.

Es gibt noch einige andere Begriffe, mit denen andere Arten von Geschlechtsdysphorie unterschieden werden sollen, etwa "mind dysphoria", für das sich meines Wissens aber keine klare Definition etabliert hat.

Ich würde unter mind dysphoria z.B. ein Unwohlsein mit der eigenen Gedankenwelt verstehen, d.h. dass die eigenen Gedanken sich teilweise im Widerspruch zum Geschlecht befinden - etwa, weil eine Person mit einem bestimmten Geschlecht großgezogen wurde, sich daran angepasst/gewöhnt hat und diese falsche Identität tiefe Spuren hinterlassen hat. Darunter könnte etwa fallen, gelegentlich für sich selbst falsche Pronomen zu verwenden, weil die alte Gewohnheit schwer loszuwerden ist. Wie gesagt ist der Begriff aber wenig etabliert und es gibt vermutlich einige gänzlich andere Definitionen dafür.

Darum, ob Gender-Dysphorie eine notwendige Bedingung dafür ist, dass eine Person trans ist, wird zurzeit heftig gestritten. Das Problem dabei ist, dass Gender-Dysphorie nicht immer leicht zu erkennen ist - etwa wenn ein Unwohlsein erst erkannt wird, nachdem es weg ist - oder nicht konstant auftritt, oder sich durch andere psychische Symptome zeigt, die aber nicht in Zusammenhang mit dem Geschlecht gebracht werden. (Lesetipp: “That was dysphoria?” 8 signs and symptoms of indirect gender dysphoria von Zinnia Jones)

Manche Menschen sagen auch, dass sie zwar keine Gender-Dysphorie erleben, aber Gender-Euphorie, d.h. ein intensives Wohlbefinden, wenn sie öffentlich oder für sich selbst ihr richtiges Geschlecht leben.

Letztlich steht es keiner Person zu, darüber zu entscheiden, ob ein anderer Mensch trans ist, oder nicht - eine Diskussion über Dysphorie sollte also niemals dazu verwendet werden, Personen den Zugang zu Communities oder Ressourcen zu verweigern.

* gender expression

Für diesen Begriff gibt es - so weit ich weiß - keine allgemein etablierte Übersetzung. Passend wäre vielleicht "Geschlechts-Präsentation" oder "Geschlechtsausdruck".

Gender-Expression bezieht sich darauf, wie ein Geschlecht nach außen hin ausgedrückt wird. Da es im Prinzip unendlich viele Möglichkeiten gibt, ein Geschlecht auszudrücken, ist es eigentlich nicht möglich, von der Weise, wie eine Person sich gibt, auf deren Geschlecht zu schließen. Es gibt aber in unserer Kultur gewisse etablierte Vorstellungen davon, welche Eigenschaften vornehmlich zu welchem (hauptsächlich binären) Geschlecht gehören sollen, die dann z.B. mit den Begriffen wie feminin und maskulin beschrieben werden. Damit ist es dann auch möglich, von femininen Männern und maskulinen Frauen zu sprechen - neben vielen anderen Begriffen, die sich auf Gender Expression beziehen. (Weitere z.B. "androgyn", "butch", "femme", ...)

* transfeminin, transmaskulin

Diese Begriffe beschreiben eine Richtung, in die eine Transition gewünscht wird, oder in der die richtige Identität von der zugewiesenen aus liegt. Es gibt auch noch Variationen der Begriffe wie "transweiblich" - manche Menschen machen eine Unterscheidung zwischen weiblich und feminin, oder zwischen männlich und maskulin. Ersteres bezieht sich dann auf das Geschlecht, letzteres auf die Gender-Expression.

* Misgendern, Deadnamen

Als Misgendern wird bezeichnet, wenn für eine Person eine falsche Anrede oder falsche Pronomen verwendet werden. Versehentlich misgendert zu werden ist für viele trans Menschen leider Alltag - was aber noch deutlich schlimmer ist, ist bewusstes Misgendern.

Viele trans Menschen sind über einen langen Zeitraum ihres Lebens durchgängig misgendert worden, und mussten es sich mühsam erkämpfen, dass ihre Identität von ihrem Umfeld anerkannt wird - oft auch, indem Personen, die sich weigern, aus dem Leben verbannt werden; nicht selten sind dies nahe Familienangehörige. Wird also berücksichtigt, dass mit Misgendern oft traumatische Erlebnisse verbunden sind - auch körperliche Gewalt - ist verständlich, warum so viele darauf sehr empfindlich reagieren.

Als "Deadname" wird ein alter Vorname bezeichnet, den eine Person abgelegt hat, weil dieser nicht zu ihrer Geschlechtsidentität passt. Hier gilt das selbe wie für Misgendern - manche Menschen verbinden sehr unangenehme Erfahrungen mit ihrem Deadname; bewusst diesen zu verwenden ist eine Form von psychischer Gewalt.

* Pronomen, Neopronomen

Das Deutsche bietet drei Pronomen an - er, sie und es - jedoch kein etabliertes für Menschen, die sich außerhalb der binären Geschlechter verorten. Manche Leute verwenden gerne "es" für sich, viele andere empfinden dies aber als unangenehm, weil es eher als sachlich, "ein Ding", verstanden wird, und weniger als ein menschliches Individuum.

Versuche, neue Pronomen zu etablieren, gibt es viele, allerdings konnte keiner dieser Versuche sich bis jetzt als klarer Favorit durchsetzen. Einige Beispiele wären "sier", "ersie", "er*sie", "xier" oder "dey".

Sehr viele nichtbinäre Menschen im deutschsprachigen Raum verwenden für sich gar keine Pronomen - oft wird das kombiniert mit kurzen, einsilbigen Vornamen, die sich schnell anstelle eines Pronomens einfügen lassen.

Im Englischen hat sich mittlerweile "they" als weithin gebräuchliches Pronomen für nichtbinäre Menschen durchgesetzt, es gibt aber auch andere Versuche wie z.B. "ze/hir" oder "ve/vem".

* Cisnormativität

Cisnormativität ist die (implizite) Annahme, dass Personen cisgender sind. Ein Faktor der dazu beiträgt, ist, dass medial leider oft der Eindruck vermittelt, dass es immer leicht zu erkennen wäre, dass eine Person trans ist - in der Realität sieht das anders aus. Tatsächlich wurde auch schon einigen cis Frauen Gewalt angetan, weil sie für trans gehalten wurden.

AMAB, AFAB, MtF, FtM

Die Abkürzungen stehen für "assigned male at birth" bzw. "assigned female at birth", also als Abkürzung für das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht. So praktisch diese Begriffe auch sind, um allgemein über das Thema Geschlechter und Trans-Identitäten zu reden, ist es aber problematisch, sie ständig im Umgang mit anderen Menschen zu verwenden, da dadurch erst recht wieder eine Zweiteilung der Menschen vorgenommen wird, die außerdem an der Realität der so Bezeichneten vorbeigeht.

AFAB wird oft auch benutzt, um einen Überbegriff für Menschen zu haben, die z.B. Kinder bekommen können - dies übersieht aber, dass es auch eine Menge unfruchtbarer cis Frauen gibt.

MtF steht für "male to female", umgekehrt FtM für "female to male". Diese Begriffe werden ebenfalls oft der Einfachheit halber benutzt, sind aber gegenüber AMAB/AFAB binärer und gehen außerdem von einem Geschlechtswechsel aus, was der Realität vieler trans Leute entgegensteht. Noch schlimmer ist es, von "einem FtM" zu sprechen, was eine Person dann nur noch auf den Prozess einer Transition reduziert und daher entmenschlichend wirkt. Am besten sollten auch diese Begriffe nur zur Selbstbeschreibung verwendet werden und nicht ungefragt für andere Menschen.

* transsexuell (transsexual)

Im Englischen wurde der Begriff 'transsexual' Anfang der 2010erjahre immer mehr durch den Umbrella-Begriff 'transgender' ersetzt. Eine zeitlang wurde zwischen transsexuell und transgender unterschieden, sodass erstere körperliche Veränderungen hinter sich haben, letztere aber nicht. Da dies aber relativ willkürlich ist - ob solche Veränderungen möglich oder erwünscht sind, hängt ja auch stark von äußeren Faktoren ab - ist die progressive Trans-Community weitgehend davon abgerückt.

Im Deutschen wird an "transsexuell" (ebenso wie an "intersexuell") kritisiert, dass der Begriff nahelegt, es hätte etwas mit sexuellem Verhalten zu tun, was also stark irreführend ist. Dennoch wird der Begriff immer noch von vielen Menschen als Selbstbezeichnung benutzt, und ist in etablierten Vereinen oft noch gang und gäbe.

Die starke Ablehnung dieser Begriffe durch die jüngere Generation (bzw. den Leuten, die aktuelle Diskurse verfolgen, im Aktivismus tätig sind, usw.) erzeugt zuweilen so etwas wie einen Generationenkonflikt - viele Menschen haben lange darum gekämpft, "transsexuell" sein zu können, oder sich die Bezeichnung positiv anzueignen, und sind nicht besonders begeistert, diesen Begriff wieder aufgeben zu sollen. Es ist also zu beachten, dass Menschen, die sich selbst so bezeichnen, respektiert werden - aber der Begriff sollte nicht ungefragt für andere verwendet werden.

Identifizieren als (identify as)

Diese Formulierung wird leider allzu oft missverstanden, und ist die Basis für eine ganze Schar transfeindlicher "Witze". Im Prinzip reicht es auch einfach zu sagen "Ich bin eine Frau", und "Ich identifiziere mich als Frau" ist dann eine unnötig umständliche Art, das selbe auszudrücken.

Ich sehe noch eine andere Lesart: Identifizieren ist der Akt des Erkennens oder des Benennens. Also zum Beispiel: "Ich identifiziere ein braunes Ding am Boden als ein Stück Holz." und äquivalent dazu "Ich identifiziere mich selbst als eine nichtbinäre Person." - nachdem dieses Identifizieren aber einmal abgeschlossen ist, reicht es auch zu sagen: "Da ist ein Stück Holz." und "Ich bin nichtbinär."

Viele Menschen, vor allem cis Menschen, stolpern über die Phrase "Ich identifiziere mich als ..." und meinen dann, es ginge hier um den Akt des Aussprechens. Dabei geht es eigentlich um das Herausfinden, das davor passiert ist - und es ist schlicht Fakt, dass niemand so gut über die Geschlechtsidentität eines Menschen Bescheid weiß, wie die Person selbst.

Wenn jemand sagt "Ich habe Rückenschmerzen" so werden die wenigsten Leute entgegnen "Nein hast du nicht, dein Rücken ist doch völlig gerade." Wir erkennen an, dass Schmerzen etwas sind, das normalerweise nur aus subjektiver Perspektive zugänglich ist.

Biologismus

Von Biologismus wird in diesem Kontext gesprochen, wenn eine sehr stark biologische Sicht auf menschliche Geschlechter vertreten wird; wenn also Geschlecht allein auf biologische Merkmale reduziert wird. Menschen die eine solche Sicht vertreten, beziehen sich dabei allerdings auch meist nicht auf die Expertise von Biolog*innen, sondern auf ihr eigenes Halbwissen aus dem Bereich. Biologisch gesehen gibt es eine große Zahl an Einzelfaktoren, die miteinander übereinstimmen können, aber auch nicht - nur die Chromosomen eines Menschen zu kennen, muss nicht besonders viel aussagen - außerdem kennen die wenigsten Menschen ihre eigene DNA.

* Passing, Clocking

Als "Passing" wird es bezeichnet, wenn eine trans Person in ihrem Umfeld nicht auffällt, d.h. eine trans Frau von Fremden nicht als trans erkannt wird. "Clocking" ist der Gegenbegriff, und bezeichnet, als trans Person "entlarvt" zu werden.

Beide Begriffe sind sehr umstritten und in Trans-Communities weithin unbeliebt. Viele trans Menschen wollen ihr Transsein überhaupt nicht verstecken; es verstecken zu müssen ist außerdem Ausdruck einer Gesellschaft, die Transsein nicht akzeptiert, und dann gelte es eher die Gesellschaft zu ändern.

Weiters ist "Passing" relativ - ein und die selbe Person kann unmittelbar hintereinander von verschiedenen Personen für männlich, weiblich oder ambivalent gehalten werden.

Und schließlich stellt sich die Frage, was denn eine nichtbinäre Person mit diesen Begriffen anfangen soll - schließlich haben sehr viele Menschen noch nicht einmal gehört, dass es so etwas gibt, und ordnen Menschen instinktiv in eine der beiden Kategorien männlich und weiblich ein.

* TERF, "gender critical"

Die Abkürzung steht für "Trans-Exclusive Radical Feminist" - und ist im Wesentlichen eine Bezeichnung für transphob gesinnte Menschen, die in der Existenz von trans Menschen eine Verschwörung gegen feministische Bewegungen sehen. TERFs schrecken oft nicht davor zurück, gezielt falsche Information in Umlauf zu bringen, Kampagnen gegen prominente trans Leute (oder auch nur Personen die sich positiv über trans Leute geäußert haben) zu organisieren, oder körperliche Gewalt gegen trans Menschen anzuwenden.

TERF-Ideologie besagt z.B., dass trans Frauen eigentlich Männer wären, die versuchen würden, Frauenbewegungen zu infiltrieren und von innen zu zerstören. Trans Frauen werden als perverse Männer hingestellt, deren einziges Ziel es sei, sich verkleidet zu Frauen Zutritt zu verschaffen. Als Beweismaterial werden einzelne Anekdoten von gewalttätigen Trans-Personen gebracht - dabei jedoch ignoriert, dass trans Menschen statistisch viel häufiger Opfer von Gewaltakten werden, als dass sie Täter*innen sind.

Umgekehrt sprechen TERFs meist wenig über trans Männer oder bei der Geburt weiblich zugewiesene nichtbinäre Menschen - diese werden dann eher als "Verräterinnen an der Weiblichkeit" angesehen, und oft gegen deren Willen in weibliche Räume eingeladen.

Da TERFs in den meisten feministischen Bewegungen mittlerweile nicht mehr akzeptiert werden, verbünden sich TERF-Gruppierungen zunehmend mit politisch rechtskonservativ gesinnten Menschen, zuweilen sogar mit  explizit antifeministischen. Das Ziel, trans Personen die Existenz abzusprechen scheint manchen wichtiger zu sein als sich tatsächlich für die Rechte von Frauen einzusetzen, wie sie es eigentlich vorgeben.

Um sich selbst einen neuen Anstrich zu geben, nennen sich viele TERFs mittlerweile gender-critical (gender-kritisch). Sie sprechen auch gerne von womyn-born womynbio-women, oder betonen die sprachliche Nähe zwischen woman und womb. Eine weitere Strategie ist, zu behaupten, dass "terf" ein Schimpfwort wäre, oder dass "cis" ein Schimpfwort wäre.

Obwohl TERFs in den meisten feministischen Bewegungen kaum akzeptiert werden, hält sich deren Gedankengut leider immer noch vielerorts im Hintergrund - selbst trans Personen fallen gelegentlich darauf herein.

* Truscum, trans-trender

Mit Truscum sind Menschen vor allem innerhalb von Transgender-Communities gemeint, die eine Unterscheidung treffen zwischen "richtigen" trans Menschen (d.h. etwa solche die eine volle Transition anstreben) und "falschen" Trans-Menschen, die angeblich lediglich einem Trend folgen. Als Unterscheidungskriterium wird - neben dem Wunsch, körperlich möglichst weitgreifende Änderungen durchzuführen - oft gebracht, ob eine Person Gender-Dysphorie erlebt.

Vielen Menschen, die von Truscum in die Kategorie "nicht wirklich trans" gesteckt werden, müssen sich den Vorwurf anhören, nur einem Trend zu folgen, "trans-trender" zu sein. Angesichts der enormen Hürden, Gefahren und Ablehnung die viele trans Menschen erleben müssen, ist dieser Vorwurf aber eher absurd - es ist schade, dass innerhalb von Trans-Communities wiederum Ausgrenzung von Menschen stattfindet, die einer Norm nicht genügen.

* biologisches Geschlecht

Das englische "sex" wird oft so ins Deutsche übersetzt. Der Begriff wird jedoch in Trans-Communities als fragwürdig angesehen. Die Vorstellung, welche die meisten Menschen von der menschlichen Biologie haben, ist so stark von der vorherrschenden Binarität geprägt, dass dieser Umstand oft kaum wahrgenommen, und das "biologische Geschlecht" einfach als offensichtlich, gegeben und keiner weiteren Erklärung bedürfend angenommen wird.

Eine biologische Sicht auf menschliche Geschlechter ist jedoch vielfältig - Parameter wie Chromosomen, Hormonspiegel, Genitalien, Keimdrüsen und sekundäre Geschlechtsmerkmale können allesamt getrennt betrachtet werden, und das alles kann insgesamt sehr von dem simplifizierten Bild abweichen, dass Leute haben, wenn sie "biologisches Geschlecht" hören.

* dyadisch

Ein Gegenbegriff zu inter. Dyadische Menschen sind also einfach die, die nicht intergeschlechtlich sind. Das können sowohl cis als auch trans Menschen sein.

* Sexualisierung, Transmisogynie

Eine weit verbreitete Strategie, um eine Menschengruppe in der Meinung der breiten Masse zu diskreditieren, ist Sexualisierung. Dies kann unterschiedliche Formen annehmen: beispielsweise wird einer Gruppe unterstellt, sich "tierisch" zu verhalten, "pervers" zu sein, eine Gefahr für Kinder, usw. - dies war und ist immer noch zu hören, wenn rechtsgesinnte Menschen über Homosexualität sprechen, und auch ethnische Minderheiten werden gerne in diese Schublade gesteckt, um sie zu diskreditieren.

Auch Frauen ganz allgemein werden in einer männerdominierten Gesellschaft sexualisiert, was sich beispielsweise an Werbeplakaten gut sehen lässt. Indem Männer die Beobachter sein sollen und Frauen die Beobachteten (deren Aussehen dann frei heraus kritisiert werden darf), werden Machtverhältnisse aufrechterhalten - Sexualisierung ist eine Reduktion auf nur einen Aspekt eines Menschen und wirkt damit als Abwertung.

Trans Frauen haben auch ganz speziell unter dieser Form von Misogynie zu leiden: da Frauen an sich schon gesellschaftlich sexualisiert werden, müssen - gemäß dieses häufigen transfeindlichen Argumentes - bei einer bei der Geburt männlich zugewiesenen Person, die sich "freiwillig" als Frau bezeichnet, wohl sexuelle Motive dahinterstecken. Jedes Anzeichen, dass trans Frauen irgendein Interesse an Sexualität haben - wie die meisten anderen Frauen auch - wird als Beleg dafür angesehen.

Dies ist ein Beispiel für Transmisogynie, ein Begriff, der 2007 von Julia Serano geprägt wurde, um die ganz spezifische Überschneidung von Frauenfeindlichkeit und Transfeindlichkeit zu beschreiben.

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