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Samstag, 9. März 2019

Gitarristenkleid

GITARRISTENKLEID

Der Gitarrist schwebte in einer Reihe von taumelnden Giganten. Auf jeder der Gigantenschultern schwelte eine Glut von Feuern, die an den Klängen zerborsten waren. Den Gitarristen beschäftigte nur die Reihe selbst, in deren Mitte er sich hin und her bewegte und seine Finger laufen ließ, dabei hier und da sich an einer der Schultern verbrannte und Gefahr lief, dass sein buntgeschecktes Gitarristenkleid am Ende auch noch Feuer fing, wie es bereits das silbrige Schlagzeugerinnenkleid getan hatte, und davor das dunkelviolette Sängerkleid. Tatsächlich waren alle bereits verbrannt außer dem Gitarristen, oder besser, deren Kleider waren verbrannt, ihre Haut lediglich mit Narben geschmückt. Sie lagen noch immer nackt und stöhnend am vorderen Rand der Bühne, wo sie vom Publikum, das auf den Gigantenschultern Popcorn briet, mit Spucke bespritzt wurden, wann immer jemand sich an den tiefsten Grund eines Maiskorns gebissen hatte und seine eigene Verletzlichkeit in Form einer blutigen Murmel entdeckt hatte, einer Murmel, die an einer gewellten Bahn in den Magen dieser einen Person rollen würde, und dieser einen Person fortan als eine Erinnerung an die Spucke und die Gigantenschultern und die Maiskörner und die nackten Menschen auf der Bühne dienen würde. Von den Nackten erhoben sich nun zwei, richteten langsam ihre Oberkörper auf, bis sie, schlagartig erstarrend, Augenkontakt hergestellt hatten. In ihrer Position verharrten sie nun, stumm aufeinander bezogen. Der Gitarrist hatte sich inzwischen zwischen den Tönen seiner Strickleiter verloren, und war ein Niemand geworden, und als solcher bedeutungslos. Das schuf natürlich Möglichkeiten, denn in seinem Metallsaitengesang spiegelte sich nun eine Leere wieder, die von den Umstehenden ausgestrahlt worden war und nun auf sie selbst zurückstach. Verwundet begannen sie sich zu kratzen, einem schrecklichen Juckreiz blind gehorchend, bis sie in elendem Tanze zu Boden gingen. Die ganze Breite der Bühne spiegelte sich nun in sich selbst, und in deren Mitte starrten sich die beiden Nackten mit den aufgerichteten Oberkörpern an, nichts von den Geschehnissen um sich wahrnehmend. Zwischen ihnen befand sich ein Universum an Möglichkeiten, eine jede von ihnen ungenutzt und frisch. Die Gitarre war zu einem Brutkasten geworden, der unablässig weiter wuchs und um die Bühne eine pulsierende Hülle zu bilden begann, freilich von vielen Löchern durchnetzt, in denen die Plektra sich in kleinen Wirbelstürmchen versuchten, gegenseitig anzuregen. Und der Wind rauschte immer lauter, blies das eine oder andere Feuer auf den Gigantenschultern wieder ins Leben, tauchte den Raum in einen fließenden Schaum; ein Schaum von sanftem Magenta, der nun in die Münder der Popcornessenden eindrang und sich dort mit den Stimmbändern umschlang, sodass quallenartige Töne hervorzudringen begannen und kleine Blitze durch die Brusthaare sprangen, eine gewaltige Sprengkraft, deren zerstörerischer Abschiedsgesang den Gitarrenbrutkasten aufschlitzte. Fetzen von sich selbst zerbissenen Reihungen flogen um den Gitarristen, der wild mit seinem bunten Gitarristenkleid um sich schlug, um sich der Schlachtenbrut zu erwehren. Zwischen den Nackten, die mit aufgerichteten Oberkörpern immer noch einander gegenübersaßen, hatte sich eine verdichtete Leere gebildet, die nun langsam begann, in einem tiefen schwarzen Farbton zu summen, eine tintige Wolke, die sich über die Bühne ergoss, und in der die restlichen Mitglieder der Band nun ertranken, bis auf den Gitarristen, dessen buntes Kleid sich nun mit schwarzem Saft vollgesogen hatte, und der in einer letzten Kraftanstrengung den Gitarrenkasten öffnete.

2019-01-10, Jundurg Delphimė

Montag, 4. Februar 2019

Üpdäätle -46-

2019 ist mein surreales Jahr, hab ich beschlossen, und zwar gleich am zweiten Jänner. Tatsächlich hab ich von diesem Vorhaben schon einiges umsetzen können. Zunächst sind einige Texte entstanden, bei denen ich momentan noch überlege, ob ich sie hier im Blog posten möchte; dann hab ich ein schon lange im Hinterkopf lauerndes Projekt umgesetzt und eine dadaistisch-surrealistische Abhandlung über das Weltenbasteln verfasst. Weitere Untaten ähnlicher Art folgen bestimmt.

(Das ist für mich eine Surrealismus-Rennaissance, denn um 2009 herum habe ich fast ausschließlich in absurdistischen und/oder surrealistischen Stilen geschrieben, was, da ich damals massiv vereinsamt war, mir nicht so besonders gut getan hat. Da bin ich heute in einer völlig anderen Position, wo ich mich tief hineinlehnen kann in den "Wahnsinn" und dabei keine Sorge habe, mich darin zu verlieren.)

Wie im letzten Post schon erwähnt, hat das Jahr auch mit einiger Neuer Musik begonnen; da bin ich jetzt gefühlt allmählich durch, also durch diesen spezifischen Stapel an Werken. Ich hoffe, dass ich es im Februar schaffe, dann dazu noch mehr zu sagen, d.h. zu den einzelnen Stücken. (Das ist keine leichte Aufgabe, dann dazu möchte ich eigentlich jedes Stück vor dem Kommentar noch einmal hören, und die Liste dauert eben 8 Stunden.)

Kompositorisch: Die Gunnerkrigg Chords sind weiter gewachsen, jetzt sind es über 40, was, wenn ich darüber nachdenke, mich selbst schon ziemlich verblüfft. Gerade war ich eine halbe Woche krank, und der Moment, mich endlich wieder ans Klavier zu setzen, und erst einmal eine Stunde durch die Stücke durchzuscrollen, war wirklich ein freudiger. Nach so einer Pause sammelt sich immer ein bisschen "Energie" an und führt zu etwas gewagteren Interpretationen.

Mein Orchesterstück ist seit Dezember in einer Rohfassung fertig, allerdings schiebe ich das Überarbeiten hinaus. Von der Diplomarbeit hingegen existiert ein Haufen unsortierter Ideen, die ich im Februar jetzt in einen groben Entwurf verwandeln muss.

~ eure Jundurg Delphimė