Donnerstag, 26. Juli 2018

10 Jahre Gamification & mein aktuelles Spielsystem


Das ist der Endstand von Level 1 des Spieles, mit dem ich derzeit meinen Alltag organisiere.

~ ẞ ~

Gamification-Methoden für zu erledigende Aufgaben verwende ich jetzt schon seit über zehn Jahren. Angefangen hat es in meinem Maturajahr; mit einem Zettel, auf dem ich einen Punktestand dokumentiert habe, und mir für bestimmte erledigte Aufgaben oder Erreichtes Punkte vergeben habe. Umgekehrt haben bestimmte Belohnungen Punkte gekostet. Gescheitert ist das Spiel daran, dass ich mir einige Belohnungen gegönnt habe, ohne dafür die nötigen Punkte zu haben - nachdem ich also einmal geschummelt hatte, war das Spiel quasi entwertet.

Zwischendurch war ich etwa eineinhalb Jahre auf Habitica (damals hieß es noch HabitRPG), einem Online-Tool, das vom Prinzip her nicht so viel anders funktioniert. Allerdings ist es bei Habitica so gedacht, dass unterschieden wird zwischen daily quests und anderen Quests. Für das Auslassen einer täglichen Quest verliert die Spielfigur Hit-Points, während für andere Quests nur gilt, dass sie umso mehr Gold abwerfen, je länger sie bereits aufgeschoben wurden. (Dadurch soll Motivation dafür aufgebaut werden, etwas anzugehen, das schon lange liegt - gleichzeitig ist natürlich das Problem, dass so auch Motivation dafür erzeugt wird, dass etwas liegengelassen wird!)
In Habitica selbst sind Belohnungen natürlich nicht direkt eingebaut, da diese ja individuell funktionieren. D.h. die Spieler*in definiert eben, dass eine Belohnung soundsoviel Gold kosten soll, und klickt dann manuell, dass Gold abgezogen werden soll. Das ist einigermaßen unelegant, geht aber wohl nicht anders.

Ein weiteres Problem war, dass das ganze natürlich online war, und ich selbst keine Kontrolle darüber hatte, Fehler zu korrigieren - etwa, wenn ich eine Quest eigentlich gemacht hatte, aber vergessen, sie anzuhaken. Was insbesondere dann blöd ist, wenn ich schon schlafen gehen möchte, und den Computer gerade ausgeschaltet, und mir dann einfällt, dass ich das Häkchen bei "Früh Schlafengehen" noch gar nicht angehakt habe...

Wirklich ein Problem wurden mir aber die daily quests. Nichts ist demotivierender, als an einem Tag, wo aufgrund von Depression ohnehin schon nichts weiterging, auch noch im Spiel Hit-Points zu verlieren. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis mir dieses Problem wirklich bewusst wurde - und dann habe ich Habitica aufgegeben, und beschlossen, mir wieder etwas zu bauen, dass auch offline funktioniert. Und ohne den ganzen komplizierten Schnickschnack von Habitica - ich konnte dort nie so recht durchschauen, warum ich wieviel Gold für etwas bekam, und es war auch eine Menge Zufall dabei, der sich falsch anfühlte, weil ich ihn nicht verstand.

~

Ich mache einen großen Sprung vorwärts. Ich hatte zwischendurch verschiedene Systeme gehabt, manche auch spielhafter, manche sehr langweilig aber effizient.

Im Verlauf meiner Psychotherapie habe ich Faktoren erkannt, wie ich mir selbst das Leben schwer mache, und mein Spielsystem dann schließlich möglichst weit daran angepasst.

Weil es mir etwa besonders schwer fiel, Dinge anzufangen, habe ich die Punkte innerhalb von Aufgaben in verschiedene Kategorien unterteilt. Das wichtigste Konzept dabei ist Minimal Effort bzw. Incipit, wie ich es genannt habe. Es bedeutet, dass ich bereits für das Anfangen Punkte bekomme, selbst wenn es dann dabei bleibt, und ich sogleich wieder damit aufhöre.

Der Witz daran ist, dass ich selten, wenn ich angefangen habe, wirklich gleich wieder aufhöre. (Obwohl es mir erlaubt wäre, und ich dafür dann auch wirklich meine Punkte bekäme) Wenn die Hürde des Anfangens einmal überwunden ist, fällt das Weitermachen nicht so schwer.

Bei meinem aktuellen Hauptsystem gibt es diese Kategorien:

Incipit / End / 1h / 2h / Unit

End kommt nur bei wenigen Tasks zum Einsatz - vor allem bei Vorlesungen, wo ich mir dann eben für das Incipit (Hingehen) und für das End (bis zum Ende dort bleiben) separat Punkte vergebe.
Bei anderen Tasks ist die Zeit wichtiger, dementsprechend gibt es für das Erreichen einer 1-Stunde-Marke oder 2-Stunden-Marke Punkte. Unit schließlich ist ein Sammelbegriff, der je nach Task unterschiedlich definiert werden muss.

Dieses Hauptsystem sitzt bei mir derzeit in einer Txt-Datei, die bei jeden Hochfahren des Computers automatisch als erstes gestartet wird. Ich sehe also immer gleich, wieviele Punkte ich aktuell habe, und darunter ist die Tabelle der Aufgaben:


Wie gesagt, die Incipit/MinimalEffort Spalte ist die wichtigste für das Funktionieren. Das muss natürlich individuell angepasst werden; für mich ist das Anfangen eben bei Weitem die größte Hürde. Die Punkte übertragen sich dann in Euro (2 Punkte = 1 Euro, wobei manche Sachen, wie etwa Süßigkeiten, noch "besteuert" werden und wesentlich mehr kosten als nur ihren Punktepreis in Euro).

Dieses Hauptsystem erfüllt zwar den Zweck, alles zusammenzuhalten, ist aber als Spiel nicht besonders spannend. Deswegen habe ich dann vor einem Monat beschlossen, dass ich zum Zwecke zusätzlicher Motivation innerhalb des Hauptsystems noch ein Spiel starte:

Um ein Startfeld herum liegen weitere Sechseckfelder. Jedes einzelne Feld wird zunächst einmal erwürfelt. In diesem Fall zuerst mit einem W3:
1 - bodenloser Abgrund
2 - leichte Quest
3 - schwere Quest
Am Anfang hatte ich ziemlich Pech und habe mich zwischen vielen Abgründen gefunden (wie auf dem Bild auch zu sehen).

Für die Zuteilung der Quests habe ich zwei weitere Listen erstellt, einmal für leichte, dann für schwere Quests. Unter den leichten Quests finden sich viele Aktivitäten, die im Prinzip eher Freizeitaktivitäten sind - im Bild zu sehen etwa LETT für eine Stunde Lettischlernen. Gekennzeichnet habe ich die Questart am Spielfeld durch einen oder zwei Punkte vor dem Kürzel. Der Doppelpunkt bei :DIP steht also dafür, dass es sich hierbei um eine schwere Quest handelt.

Natürlich sind die Listen so gewählt, dass die aktuellen Prioritäten öfter gewürfelt werden, als eher nebensächliche Aktivitäten. Die Auswahl der Quest geschieht mit einem W20, bei dem ich eben manchen Aktivitäten gleich drei oder vier Zahlen zugewiesen habe.

In Level 1 war die oberste Priorität das Aufräumen. Daher gab es diese Quest in zwei Fassungen; einmal als leichte Quest ("ein bisschen aufräumen" - ganz ähnlich einem Incipit) und als schwere Quest ("eine Stunde aufräumen").

Nur für schwere Quests gibt es hier Punkte - diese werden direkt ins Hauptsystem übertragen, das ich oben schon vorgestellt habe. Die Spiele greifen also ineinander. Leichte Quests hingegen bringen eigentlich nichts, außer am Spielfeld voranzukommen.

Und gerade darin, im Aufdecken von neuen Feldern, liegt der große Reiz dieser Spielart für mich. Ich bin ein unsäglich neugieriger Mensch - der Umstand, dass ich nicht weiß, welche Quest sich hinter dem nächsten Hexfeld verbirgt, macht es ungeheuer motivierend, eine Quest zu erledigen, einfach nur, um das zu erfahren.

Genau aus diesem Grund ist der Zufallsfaktor in diesem Spiel auch so hoch angesetzt. Weil es um das Erkunden einer anfangs zugedeckten Karte geht.

Hier ist der Level 1 noch in etwas fortgeschrittenerem Stadium zu sehen:

Das :DIP-Feld blieb über eine sehr lange Zeit, fast bis zum Schluss, unaufgedeckt, und versperrte mir den Weg nach links, deswegen habe ich mich primär nach unten und rechts ausgebreitet, wo ich auf deutlich weniger bodenlose Abgründe stieß. ;-)

Als Siegbedingung habe ich mir - in etwa zum Zeitpunkt des letzten Fotos - dann mehrere Bedingungen festgelegt, unter anderem, dass ich drei Spielfeldränder erreichen müsse, und dass ich insgesamt 8 Randfeldquests erfüllt haben müsse.

~ ẞ ~

Ich war dann schon recht begierig auf Level 2. Dafür habe ich etwas umgebaut, eine dreifache Unterteilung in leichte, schwere und "heavy" Quests gemacht. Letztere bringen noch etwas mehr Punkte als schwere Quests. Die Auswahl funktioniert mit einem W10 mit folgender Belegung:

0-2 : Void / Abgrund
3-5 : Leichte Quest
6-7 : Schwere Quest
8-9 : Heavy Quest


Drei Listen zu haben, macht es allerdings etwas unübersichtlicher, außerdem ist die Wahrscheinlichkeit für jede einzelne Zahl, gewürfelt zu werden, nun schon ziemlich klein geworden. Für eine leichte Quest auf nur einer Ziffer des W20 ist die Wahrscheinlichkeit, auf einem neu aufgedeckten Feld zu liegen 3/200, also 1,5 Prozent. Das ist schon sehr wenig.

Außerdem habe ich noch ein weiteres Spielelement eingeführt - es kann auch manchmal ein Monster aufgedeckt werden, und dann werden mir Hit-Points abgezogen. Diese kann ich wieder regenerieren, indem ich diverse Selfcare-Tasks mache (die nicht auf den Questlisten stehen, sondern nochmal extra).

Jetzt bin ich 2 Tage im zweiten Level und habe festgestellt, dass ich mit dem System nicht so recht zufrieden bin, und wieder etwas umbauen muss. So sieht Level 2 nun aus:

Ich hatte auch hier wieder krasses Würfelpech - der gesamte linke Rand ist ein einziger bodenloser Abgrund. ;-)

Nun wird Level 2 noch einmal aufgesetzt - ich werde nicht viel ändern, nur das Monster werde ich wieder rausnehmen - dafür werde ich aber ein Spielelement hinzufügen, das es mir erlaubt, hin und wieder auch Felder zu durchqueren, ohne die exakte Quest darauf zu erledigen. Etwa ein System, dass 3 beliebige schwere Quests reichen, um ein schweres Questfeld zu durchqueren. (Das wird dann aber nicht ausgemalt, sondern bekommt nur einen Punkt als Durchquerungssymbol. Ich kann die Quest dann später immer noch machen, um die Punkte zu kassieren.)

Da ich das Monster und die Hit-Points entferne, werde ich etwas ähnliches wohl mit den Self-Care-Tasks machen. Vllt die Anzahl der Abgründe reduzieren, dafür aber gelegentlich mal freie Felder - um diese zu durchqueren, muss einfach nur etwas beliebiges erledigt werden.

Auf diese Weise hoffe ich, dass das ganze flexibler wird, und motivierender ist. Es ist nämlich einfach unbefriedigend, an einer Stelle festzusitzen wo ich nur entweder
a) schwere Quests habe, denen ich mich vom Energielevel her gerade nicht gewachsen fühle oder
b) Tasks, die eigentlich grad völlig sinnlos sind, während andere Sachen, die eigentlich erledigt werden sollten, nicht am Spielfeld vorhanden sind.

Wünscht mir Glück, dass Level 2b besser funktioniert. :-)

~ Jundurg Delphimė

Mittwoch, 25. Juli 2018

BEHOLD! I bring to you the ten commandments

... according to Google Translate:

~ ẞ ~

All these words are God. I am happy for God and Egypt.

1. There is no god at all.

2. Heaven and earth are good, God is not a god.

3. God is a living, not God-oriented reason.

4. My father hugs animals on Sunday. It will be fairness.

5. Tell your family.

6. Do not drop.

7. Make a rich marriage.

8. Play music.

9 Do not trust your neighbor.

10. I want close friends or friends, wife's wife, friend's friend, friend or brother.

~ ẞ ~

(made with the same technique as this one, but selecting the best lines from different iterations. :-) )

~

Commandments 4, 5, 8, 9 and 10 are definitely good life advice, in my opinion. I am tempted to start a religion. It will be fairness.

Samstag, 21. Juli 2018

"Some roads are hidden and other roads are away." - Google Translate Poetry

I've put some lyrics into GoogleTranslate and iterated it through almost every language it offers. (This is not a new idea, but definitely a fun thing to do on a free-ish afternoon.) The original text was a passage from Bernstein´s Candide, written by Richard Wilbur. I will not put the original version in this post, because I like to keep it a bit more mysterious. Also, I add extra line breaks for a more poetic reading experience.

~ ẞ ~

After some iterations, this was the first result. The author hasn't quite found their voice yet, but at least they are certainly showing some promise, even if their grammar tends to be overly complicated:

No. 1

Do not hesitate to think
that I might be irritating and angry,
but in fact I said
that I had a good life in this castle castle
and I would go every day.
I liked much and do not know
that they do not know
that their black party in this world.

I took the family ferns,
I wrote a crown
and dropped half of my dough.

He was wrong and met
and went away several times;
he was forced to stop all enthusiasm;
But recently, I believe
that the practical result
is comfortable and avoidance!

I am fascinated with the poet´s ability to write themself a crown. Also, "castle" is such an important element that it has to be said twice.

~

Several iterations later... there is definitely some existential angst coming to the surface, mixed with some lines about ... food?

No.2

It does matter, but they believe
they are problematic and difficult,
but it is considered
as a wonderful life
in the palace and in everyday life.

I really like them,
and I do not know,
you do not know what is
in this part of the black and white world on earth.

On the bunches of fungus,
on the crown and on the left of the pastry.

Some seasons went into the accident
and they went away because of some traffic.
Why do you think it's a recent event,
worship, and salvation?

~

A few iterations further down. I particularly like the line about roads - the author clearly found a way to express their feelings. A sharp contrast between the rich people in palaces and the author´s own longing for a place in the world.

No.3

I believe they are problematic
and complicated,
but they seem to be a beautiful life
in the palace and everyday life.

I love them and you do not know
what this black and white part is.

Crown and dessert on the left side of the grass.
Some roads are hidden and other roads are away.

Why is this the youngest event,
worship, security?

~

It has become quite a bit shorter already, as you can see. There are no big changes from No.3 to No.4 - mostly the author´s intent became clearer, in my opinion - but somehow, a sweater entered the narrative:

No.4

We believe they are difficult
and difficult,
but they seem to live a beautiful life
in everyday life
and everyday life.

I like it, but I do not know
it's black and white.

The crown and sweater on the left side of the pool.
Some roads are secrets and other roads are left.
What is the reason for this situation?

~

The author corrects their mistake - it wasn't a sweater, it was a jersey. And they got rid of the crown. Apparently it turns out you can't write yourself into royalty that easily. Which might be the reason why they urge the reader to see that the only way to go is to the political left, even if we do not know what got us into this mess. The first part seems to refer to the upper-class?

No.5

We believe they are heavy
and heavy,
but they seem to live a rich life
of everyday life.

I liked it,
but I did not know it was white.

Necklace and jersey on the left side of the tank.
Some of these are deeper but the remaining steps are left.
What's the cause of this situation?

~

In the next version, the author has decided to drop any pretense of a happy life. The individual gets reduced to himself, and ... I admit I have no clue what this line about clothing on the beach is about. But there seems to have been a tragic event, and only some people survived.

No.6

They are hungry, thirsty,
but want to live globally.

I, but I think it's not just that.

Clothing is also on the beach.
Some of them are left.
Who helped?

~

In this next iteration, the author has turned towards spirituality - is there a world beyond this one? Does the plight of the starving people on earth make any sense? I especially like the missing question mark at the end.

No.7

They are hungry, lucky,
but they want to live in the world.
But I think this is not the only one.

There is also trash.
Some of them have left.

Who helps

~

Apparently, looking for solace in religion did not work out, and the author returns to a more dadaistic style to express their angst:

No.8

They are hungry, but wanting to live in the world.
But I think this is not one
Crops
Who went out?

~

The language becomes more and more condensed. Still this lingering question at the end - is there someone out there to help?

No.9

People are hungry, and in the world.
But no one
plant
Who's there?

~

A preference for shorter phrasing characterizes the tenth iteration. The author has turned away from looking towards religion again - now the question is much more mundane, looking to another human for solace:

No.10

Everyone's hungry.
we had
factory
Who is this?

~

Finally, we have reached a state of exhaustion - humans are reduced to their basic needs - food, sex, contact to other people:

No.11

Everyone is hungry.
sex
phone
Who is this?

~

One last change - personhood has become irrelevant, the only question is about what, not whom.

No.12

All hungry
Sex
phone
What is it?

~

Mittwoch, 18. Juli 2018

LGBTQIA+ Begriffsdschungel - Teil 1: Geschlechter, Geschlechtsidentität

Mit diesem Projekt möchte ich eine kleine Runde durch die aktuellen Begriffe aus den LGBTQIA+ Bewegungen drehen, und dabei hoffentlich die wichtigsten abdecken. Mir selbst geht es immer noch öfter mal so, dass ich plötzlich noch über einen Begriff stolpere, den ich noch nie gehört habe, obwohl ich schon jahrelang Diskussionen mitverfolge. Ich weiß nicht so genau, wer meine Zielgruppe für diese kleine Serie ist - aber vielleicht stolpert auch die Leser*in jetzt wieder über irgendetwas neues. Oder er*sie stolpert, weil ich irgendwo einen totalen Mist geschrieben habe, kann auch sein. ;-)

Mindestens so sehr wie für andere schreibe ich das ganze aber auch für mich selbst - ich dokumentiere sozusagen meinen derzeitigen Wissensstand. Bestimmt wird sich einiges in den nächsten Jahren wieder ändern. Sowohl von meinen Ansichten, als auch bei den Begriffen selbst. Viel ist derzeit im Wandel, da sich über das Internet so viele Menschen über Themen wie Geschlechtsidentitäten und Orientierungen austauschen können wie nie zuvor.

Bitte beachtet: Dies ist ein persönlicher Versuch, eine Übersicht zu erstellen, kein "offizielles" Wörterbuch. Ich kann nicht beanspruchen, für andere Menschen zu sprechen, auch wenn ich mich noch so sehr bemühe, so zu schreiben, dass die Meinung eines breiten Konsens widergespiegelt wird, und nicht nur meine isolierte Einzelmeinung. ;-) Wenn jemandem etwas aufstößt, bin ich prinzipiell offen für Kritik, möchte hier aber nicht endlos Energie hineinstecken und werde daher keine langwierigen Diskussionen anfangen - sinnvolle Änderungen vornehmen geht aber natürlich.

Der erste Teil behandelt Geschlechter, Geschlechtsidentität und eine Reihe von Begriffen rund um das Thema.
Der zweite Teil wird sich um sexuelle und andere Orientierungen drehen.
Im dritten Teil werde ich dann noch versuchen, Offengebliebenes zu sammeln. Bis hierhin habe ich ehrlich gesagt noch nicht so genau geplant. ;-)

~ ẞ ~

TEIL 1: Geschlechter, Geschlechtsidentität

( CONTENT NOTE für Pathologisierung von Körpern im Abschnitt A, und Transphobie im Abschnitt C, da es dort dann auch um problematische Begriffe, usw. geht. )

A. Grundbegriffe


* Geschlecht

(Versuch einer Definition) Das Geschlecht einer Person ist eine komplexe Eigenschaft mit vielen Teilaspekten. Im Zentrum steht die Geschlechtsidentität, mit der dann bestimmte Vorstellungen darüber, wie eine Person eines bestimmten Geschlechts aussehen soll oder wie sie sich verhalten soll, verknüpft werden können.

Es hält sich hartnäckig die Vorstellung, dass sich Geschlecht im Wesentlichen auf eine biologische Zweigeschlechtlichkeit zu Fortpflanzungszwecken reduzieren lässt. Dies ist eine sehr westliche Vorstellung; in anderen Kulturen gab und gibt es eine Vielzahl anderer Konzepte. Selbst das Judentum hatte ursprünglich ein System mit deutlich mehr als 2 Geschlechtern.

In westlichen Ländern wird das Geschlecht bei der Geburt zugewiesen - dabei wird auch ein Lineal namens Phallometer eingesetzt, mit dem das Genital des Babies vermessen wird: Ab einer bestimmten Länge "männlich", unter einer bestimmten Länge "weiblich", und dazwischen "intersex" - wobei letzteres leider dann oft als Fehler angesehen wird, der von den Ärzt*innen korrigiert werden "muss". Dabei handelt es sich um schwere Kindesmisshandlung, da dieser Eingriff keinen medizinischen Nutzen erfüllt, außer eben, der Norm zu entsprechen. Das Baby kann klarerweise keine Zustimmung geben, und in vielen Fällen werden noch nicht einmal die Eltern ausreichend informiert.

Wie genau sich die Geschlechtsidentität einer Person bildet, ist unklar. Es scheint mir plausibel, dass eine große Anzahl von Faktoren mitspielt - darunter biologische, kulturelle, und vielleicht auch Prägungen. Jeder einzelne Faktor ist Gegenstand von Diskussionen - es scheint mir aber auf jeden Fall unklug, Geschlecht auf nur eine Komponente zu reduzieren (etwa zu behaupten, es wäre nur Kultur, oder nur Biologie, oder nur Erziehung).

* gender

Der Begriff wurde meines Wissens ursprünglich geschaffen, um zwischen biologischen Körpereigenheiten und sozialen Aspekten zu unterscheiden, insbesondere den Geschlechterrollen - mit dem Ziel, die Ungleichbehandlung, die Menschen verschiedener Geschlechter erfahren, zu thematisieren.

Damit kann beispielsweise sichtbar gemacht werden, dass es nicht die Körper sind, die zu einer bestimmten sozialen Ordnung führen - zum Beispiel, dass es nicht natürlich vorgegeben ist, dass genau zwei Menschen mit bestimmten körperlichen Eigenschaften in einer Partnerschaft zusammenleben müssten, nur weil für die Zeugung eines Kindes eine Eizelle und eine Samenzelle notwendig sind.

Soweit ich sehe, wird der Begriff gender heute meist synonym zu Geschlechtsidentität bzw. Geschlecht verwendet.

* cisgender (cis)

Eine Person ist cisgender, wenn ihr Geschlecht mit dem bei der Geburt zugewiesenen übereinstimmt. Dies trifft auf einen Großteil der Weltbevölkerung zu. "Cisgender" ist ein Adjektiv, es gibt also nicht "einen Cisgender", sondern "eine cisgender Person", oder z.B. "einen cis Mann".

Der Begriff wurde eingeführt, um einen Gegenbegriff zu "trans" zu haben, sodass nicht mehr eine Unterscheidung zwischen "trans" und "normal" gemacht wird - sondern beides normal ist.

* binäre Geschlechter (binary genders)

Die beiden Geschlechter "Mann" und "Frau", die gemäß der in der westlichen Welt weitverbreiteten Überzeugung die einzigen seien. Ein binärer Mann ist jemand, dessen Geschlechtsidentität eindeutig und ausschließlich männlich ist, unabhängig davon, ob dieses Geschlecht bei der Geburt zugewiesen wurde oder nicht.

* transgender (trans)

Eine Person ist transgender, wenn ihr Geschlecht nicht oder nicht ausschließlich mit dem bei der Geburt zugewiesenen übereinstimmt. Der Begriff umfasst ein weites Spektrum von Geschlechtern.

"Transgender" ist ein Adjektiv, es gibt also nicht "einen Transgender", sondern "eine trans(gender) Person". Allerdings wird das Wort leider selbst noch in Vereinen von trans Personen oft als Hauptwort verwendet - wenn dies eine Person für sich selbst so handhaben möchte, ist das natürlich möglich, sollte aber nicht ungefragt auf andere oder die Allgemeinheit übertragen werden. Im deutschsprachigen Raum gibt es generell nur sehr selten Artikel, die einen guten Umgang mit der Sprache bezogen auf trans Personen hinbekommen.

In den Neunzigern und frühen Nullerjahren war der Begriff noch weiter gefasst und bezog auch Menschen ein, die sich außerhalb der Geschlechternorm verhalten, sich anders kleiden (z.B. Drag-Queens, Drag-Kings). Diese Definition ist weitgehend außer Gebrauch geraten.

Das "T" in LGBTQIA+ steht für trans.

* nichtbinär (non-binary)

Eine Person ist nichtbinär, wenn deren Geschlecht nicht eines der beiden binären Geschlechter ist. Es gibt eine große Zahl an nichtbinären Geschlechtsidentitäten, der Begriff alleine ist also zunächst einmal ein Sammelbegriff, der noch nicht unbedingt viel aussagen muss. Es gibt aber auch Menschen, die sich einfach nur als 'nichtbinär' bezeichnen und eine genauere Bestimmung für unnötig befinden.

* intergeschlechtlich (inter, intersex)

Eine Person ist intergeschlechtlich, wenn sie aufgrund körperlicher Merkmale nicht eindeutig in das Schema männlich/weiblich einsortiert werden könnte. Bei vielen intergeschlechtlichen Menschen fällt das erst im Verlauf der Pubertät auf, während es bei anderen schon nach der Geburt festgestellt wird. Viele Menschen erfahren nie davon, wenn z.B. andere Chromosomen vorliegen, die sich aber nicht phänotypisch auswirken.

Intergeschlechtliche Menschen können jede Geschlechtsidentität haben - viele fühlen sich auch mit dem nach der Geburt zugewiesenen binären Geschlecht wohl - es gibt aber auch Menschen, die "inter" für sich als Geschlechtsidentität verwenden. Manche intergeschlechtliche Menschen sind also auch trans, aber nicht alle.

Das "I" in LGBTQIA+ steht für intergeschlechtlich.

Der Gegenbegriff zu "inter" ist "dyadisch".

B. Spezifische Geschlechtsidentitäten


Ich beschreibe alle Begriffe so, wie ich sie derzeit sehe - was hoffentlich meist dem entspricht, wie es Leute sehen, die sie für sich selbst verwenden. Natürlich kann ich aber nicht für andere Menschen sprechen, und was ich hier schreibe, sollte auf keinen Fall als letztgültig angesehen werden, sondern einen Einstieg. Im Umgang mit einzelnen Menschen ist es besser, nachzufragen, wie diese sich selbst oder einen Begriff verstehen. Im Alltag reicht es aber normalerweise, nach der richtigen Anrede - Namen und Pronomen - zu fragen.

* genderqueer

Der Begriff "genderqueer" wird auf einige verschiedene Weisen verwendet.

Einerseits als Überbegriff für nichtbinäre Identitäten - d.h. synonym zu "nichtbinär" - andererseits aber auch als spezifische Geschlechtsidentität, die z.B. für ein "drittes Geschlecht" stehen kann, das nicht so genau definiert sein muss, aber enger gefasst als "nichtbinär", d.h. z.B. wechselnde Identitäten ausschließt. Und schließlich wird "genderqueer" - wie auch "queer", von dem es sich ableitet - auch als verstärkt politisch verstanden, als ein bewusstes den Normen Dagegenstellen. So verstanden heißt genderqueer zu sein, nicht nur, sich außerhalb der zweigeschlechtlichen Norm zu befinden, sondern das auch sichtbar in die Öffentlichkeit tragen zu wollen.

Die Definitionen sind heute etwas unklar. Es gibt auch Menschen, die sich als genderqueer identifizieren, aber nicht als nichtbinär, manche sogar explizit als cisgender; manchmal überwiegt der Bezug zu einer politischen Identität, manchmal ist es mehr eine Selbstbeschreibung.

* agender (ähnlich auch: gendervoid)

Eine Person ist agender, wenn sie sich mit keiner Geschlechtsidentität identifiziert, oder schlicht gesagt kein Geschlecht hat. Typischerweise verstehen sich agender Menschen nicht irgendwo "zwischen männlich und weiblich", sondern komplett abseits der binären Geschlechter.

* demigirl (demiweiblich), demiboy (demimännlich)

Eine demiweibliche Person versteht sich als eher weiblich, aber nicht als binäre Frau. Im Englischen ist vor allem der Begriff "demigirl" dafür verbreitet; "demiwoman" habe ich hingegen noch fast nie gelesen. Analog dazu ist ein Demiboy eine Person, die sich als eher männlich versteht.

Diese Bezeichnungen sind unabhängig davon, welches Geschlecht einer Person bei der Geburt zugewiesen wurde - es kann also eine weiblich zugewiesene Person demimännlich oder demiweiblich sein.

* genderfluid

Genderfluide Menschen haben keine feste Geschlechtsidentität, sondern erleben einen mehr oder weniger häufigen Wechsel zwischen verschiedenen Geschlechtern. Das können sowohl binäre als auch nichtbinäre sein. Das Geschlecht kann z.B. von Tag zu Tag unterschiedlich erlebt werden, oder auch nur langsam im Verlauf von Monaten oder Jahren wechseln.

Manche genderfluide Menschen wechseln auch ihre Anrede und Pronomen regelmäßig. Sowohl körperliche als auch soziale Transition gestalten sich naheliegenderweise kompliziert.

* bigender

Menschen, die bigender sind, erleben sich als (mehr oder weniger) gleichzeitig mehreren Geschlechtern zugehörig. Der Begriff kann sich mit "genderfluid" überlappen, kann aber auch eine Mischidentität meinen, die für sich genommen konstant bleibt.

Analog wird für drei Geschlechter der Begriff 'trigender' verwendet.

Diese Begriffe werden manchmal auch als Selbstbezeichnung eines multiplen Systems (mehrere Personen, die sich einen Körper teilen, wie es z.B. bei einer dissoziativen Identitätsstörung der Fall ist) verwendet, innerhalb dessen es mehrere Personen unterschiedlicher Geschlechter gibt. Es sollte aber niemand annehmen, dass ein Mensch, der sich so bezeichnet, multipel ist.

C. Weitere wichtige Begriffe, veraltete Begriffe, Probleme und Konfliktherde

(CONTENT NOTE für Transphobie, vor allem im unteren Bereich des Abschnittes)

* Transition

Viele, aber nicht alle, trans Menschen streben körperliche oder soziale Veränderungen an. Beispiele für eine soziale Transition sind z.B. ein Wechsel des Geschlechtseintrages in offiziellen Dokumenten (Personenstandsänderung), Verwendung eines anderen Vornamens oder anderer Pronomen im Umgang mit anderen Menschen. Beispiele für körperliche Veränderungen sind z.B. Hormontherapien, Entfernung von Gesichts- oder Körperbehaarung, Entfernung von Brüsten und andere operative Eingriffe.

Wichtig ist, im Auge zu behalten, dass nicht alle Menschen eine Transition machen wollen oder können. Soziale Transition kann je nach Lebenssituation mit großen Risiken verbunden sein, von Ausgrenzung, Schwierigkeiten bei Wohnungs- und Arbeitssuche bis hin zu körperlicher Gewalt, oder - in manchen Ländern - bis hin zur Todesstrafe.

Ebenso gibt es viele medizinische Gründe, aus denen eine körperliche Transition nur schwer, eingeschränkt oder gar nicht möglich sein kann. Viele größere körperliche Eingriffe, gerade Operationen, werden aber auch oft als nicht notwendig fürs eigene Lebensglück angesehen. Eine fremde Person danach zu fragen, ob und welche körperlichen Veränderungen sie vorgenommen hat oder vornehmen möchte, ist extrem unhöflich!

Ob eine transgender Person also eine soziale Transition vornimmt, eine körperliche Transition, weder noch, oder in welchem Ausmaß, hat keinen Einfluss darauf, ob die Person trans ist - das weiß sie selbst am besten.

* Gender-Dysphorie (gender dysphoria)

Dysphorie allgemein meint Unwohlsein mit etwas; Gender-Dysphorie bezeichnet also ein Unwohlsein bezogen auf das eigene Geschlecht oder einen Teilaspekt davon.

Körperliche Dysphorie (body dysphoria) ist am einfachsten zu erklären: Ein Unwohlsein mit Aspekten des eigenen Körpers, etwa Körperteilen (oder deren Abwesenheit), Behaarung, Körpergröße, usw. Um dieser Dysphorie zu entgehen, wird eine körperliche Transition vorgenommen.

Soziale Dysphorie (social dysphoria) bezeichnet ein Unwohlsein damit, wie eine Person von anderen Menschen gesehen wird; also etwa, dass es ihr unangenehm ist, als eine Person eines anderen als ihres richtigen Geschlechtes angesehen zu werden, was sich in Anreden ("Herr XY"), Verwendung von falschen Pronomen ("er ist dort drüben"), Verwendung eines alten Vornamens, usw.

Es gibt noch einige andere Begriffe, mit denen andere Arten von Geschlechtsdysphorie unterschieden werden sollen, etwa "mind dysphoria", für das sich meines Wissens aber keine klare Definition etabliert hat.

Ich würde unter mind dysphoria z.B. ein Unwohlsein mit der eigenen Gedankenwelt verstehen, d.h. dass die eigenen Gedanken sich teilweise im Widerspruch zum Geschlecht befinden - etwa, weil eine Person mit einem bestimmten Geschlecht großgezogen wurde, sich daran angepasst/gewöhnt hat und diese falsche Identität tiefe Spuren hinterlassen hat. Darunter könnte etwa fallen, gelegentlich für sich selbst falsche Pronomen zu verwenden, weil die alte Gewohnheit schwer loszuwerden ist. Wie gesagt ist der Begriff aber wenig etabliert und es gibt vermutlich einige gänzlich andere Definitionen dafür.

Darum, ob Gender-Dysphorie eine notwendige Bedingung dafür ist, dass eine Person trans ist, wird zurzeit heftig gestritten. Das Problem dabei ist, dass Gender-Dysphorie nicht immer leicht zu erkennen ist - etwa wenn ein Unwohlsein erst erkannt wird, nachdem es weg ist - oder nicht konstant auftritt, oder sich durch andere psychische Symptome zeigt, die aber nicht in Zusammenhang mit dem Geschlecht gebracht werden. (Lesetipp: “That was dysphoria?” 8 signs and symptoms of indirect gender dysphoria von Zinnia Jones)

Manche Menschen sagen auch, dass sie zwar keine Gender-Dysphorie erleben, aber Gender-Euphorie, d.h. ein intensives Wohlbefinden, wenn sie öffentlich oder für sich selbst ihr richtiges Geschlecht leben.

Letztlich steht es keiner Person zu, darüber zu entscheiden, ob ein anderer Mensch trans ist, oder nicht - eine Diskussion über Dysphorie sollte also niemals dazu verwendet werden, Personen den Zugang zu Communities oder Ressourcen zu verweigern.

* gender expression

Für diesen Begriff gibt es - so weit ich weiß - keine allgemein etablierte Übersetzung. Passend wäre vielleicht "Geschlechts-Präsentation" oder "Geschlechtsausdruck".

Gender-Expression bezieht sich darauf, wie ein Geschlecht nach außen hin ausgedrückt wird. Da es im Prinzip unendlich viele Möglichkeiten gibt, ein Geschlecht auszudrücken, ist es eigentlich nicht möglich, von der Weise, wie eine Person sich gibt, auf deren Geschlecht zu schließen. Es gibt aber in unserer Kultur gewisse etablierte Vorstellungen davon, welche Eigenschaften vornehmlich zu welchem (hauptsächlich binären) Geschlecht gehören sollen, die dann z.B. mit den Begriffen wie feminin und maskulin beschrieben werden. Damit ist es dann auch möglich, von femininen Männern und maskulinen Frauen zu sprechen - neben vielen anderen Begriffen, die sich auf Gender Expression beziehen. (Weitere z.B. "androgyn", "butch", "femme", ...)

* transfeminin, transmaskulin

Diese Begriffe beschreiben eine Richtung, in die eine Transition gewünscht wird, oder in der die richtige Identität von der zugewiesenen aus liegt. Es gibt auch noch Variationen der Begriffe wie "transweiblich" - manche Menschen machen eine Unterscheidung zwischen weiblich und feminin, oder zwischen männlich und maskulin. Ersteres bezieht sich dann auf das Geschlecht, letzteres auf die Gender-Expression.

* Misgendern, Deadnamen

Als Misgendern wird bezeichnet, wenn für eine Person eine falsche Anrede oder falsche Pronomen verwendet werden. Versehentlich misgendert zu werden ist für viele trans Menschen leider Alltag - was aber noch deutlich schlimmer ist, ist bewusstes Misgendern.

Viele trans Menschen sind über einen langen Zeitraum ihres Lebens durchgängig misgendert worden, und mussten es sich mühsam erkämpfen, dass ihre Identität von ihrem Umfeld anerkannt wird - oft auch, indem Personen, die sich weigern, aus dem Leben verbannt werden; nicht selten sind dies nahe Familienangehörige. Wird also berücksichtigt, dass mit Misgendern oft traumatische Erlebnisse verbunden sind - auch körperliche Gewalt - ist verständlich, warum so viele darauf sehr empfindlich reagieren.

Als "Deadname" wird ein alter Vorname bezeichnet, den eine Person abgelegt hat, weil dieser nicht zu ihrer Geschlechtsidentität passt. Hier gilt das selbe wie für Misgendern - manche Menschen verbinden sehr unangenehme Erfahrungen mit ihrem Deadname; bewusst diesen zu verwenden ist eine Form von psychischer Gewalt.

* Pronomen, Neopronomen

Das Deutsche bietet drei Pronomen an - er, sie und es - jedoch kein etabliertes für Menschen, die sich außerhalb der binären Geschlechter verorten. Manche Leute verwenden gerne "es" für sich, viele andere empfinden dies aber als unangenehm, weil es eher als sachlich, "ein Ding", verstanden wird, und weniger als ein menschliches Individuum.

Versuche, neue Pronomen zu etablieren, gibt es viele, allerdings konnte keiner dieser Versuche sich bis jetzt als klarer Favorit durchsetzen. Einige Beispiele wären "sier", "ersie", "er*sie", "xier" oder "dey".

Sehr viele nichtbinäre Menschen im deutschsprachigen Raum verwenden für sich gar keine Pronomen - oft wird das kombiniert mit kurzen, einsilbigen Vornamen, die sich schnell anstelle eines Pronomens einfügen lassen.

Im Englischen hat sich mittlerweile "they" als weithin gebräuchliches Pronomen für nichtbinäre Menschen durchgesetzt, es gibt aber auch andere Versuche wie z.B. "ze/hir" oder "ve/vem".

* Cisnormativität

Cisnormativität ist die (implizite) Annahme, dass Personen cisgender sind. Ein Faktor der dazu beiträgt, ist, dass medial leider oft der Eindruck vermittelt, dass es immer leicht zu erkennen wäre, dass eine Person trans ist - in der Realität sieht das anders aus. Tatsächlich wurde auch schon einigen cis Frauen Gewalt angetan, weil sie für trans gehalten wurden.

AMAB, AFAB, MtF, FtM

Die Abkürzungen stehen für "assigned male at birth" bzw. "assigned female at birth", also als Abkürzung für das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht. So praktisch diese Begriffe auch sind, um allgemein über das Thema Geschlechter und Trans-Identitäten zu reden, ist es aber problematisch, sie ständig im Umgang mit anderen Menschen zu verwenden, da dadurch erst recht wieder eine Zweiteilung der Menschen vorgenommen wird, die außerdem an der Realität der so Bezeichneten vorbeigeht.

AFAB wird oft auch benutzt, um einen Überbegriff für Menschen zu haben, die z.B. Kinder bekommen können - dies übersieht aber, dass es auch eine Menge unfruchtbarer cis Frauen gibt.

MtF steht für "male to female", umgekehrt FtM für "female to male". Diese Begriffe werden ebenfalls oft der Einfachheit halber benutzt, sind aber gegenüber AMAB/AFAB binärer und gehen außerdem von einem Geschlechtswechsel aus, was der Realität vieler trans Leute entgegensteht. Noch schlimmer ist es, von "einem FtM" zu sprechen, was eine Person dann nur noch auf den Prozess einer Transition reduziert und daher entmenschlichend wirkt. Am besten sollten auch diese Begriffe nur zur Selbstbeschreibung verwendet werden und nicht ungefragt für andere Menschen.

* transsexuell (transsexual)

Im Englischen wurde der Begriff 'transsexual' Anfang der 2010erjahre immer mehr durch den Umbrella-Begriff 'transgender' ersetzt. Eine zeitlang wurde zwischen transsexuell und transgender unterschieden, sodass erstere körperliche Veränderungen hinter sich haben, letztere aber nicht. Da dies aber relativ willkürlich ist - ob solche Veränderungen möglich oder erwünscht sind, hängt ja auch stark von äußeren Faktoren ab - ist die progressive Trans-Community weitgehend davon abgerückt.

Im Deutschen wird an "transsexuell" (ebenso wie an "intersexuell") kritisiert, dass der Begriff nahelegt, es hätte etwas mit sexuellem Verhalten zu tun, was also stark irreführend ist. Dennoch wird der Begriff immer noch von vielen Menschen als Selbstbezeichnung benutzt, und ist in etablierten Vereinen oft noch gang und gäbe.

Die starke Ablehnung dieser Begriffe durch die jüngere Generation (bzw. den Leuten, die aktuelle Diskurse verfolgen, im Aktivismus tätig sind, usw.) erzeugt zuweilen so etwas wie einen Generationenkonflikt - viele Menschen haben lange darum gekämpft, "transsexuell" sein zu können, oder sich die Bezeichnung positiv anzueignen, und sind nicht besonders begeistert, diesen Begriff wieder aufgeben zu sollen. Es ist also zu beachten, dass Menschen, die sich selbst so bezeichnen, respektiert werden - aber der Begriff sollte nicht ungefragt für andere verwendet werden.

Identifizieren als (identify as)

Diese Formulierung wird leider allzu oft missverstanden, und ist die Basis für eine ganze Schar transfeindlicher "Witze". Im Prinzip reicht es auch einfach zu sagen "Ich bin eine Frau", und "Ich identifiziere mich als Frau" ist dann eine unnötig umständliche Art, das selbe auszudrücken.

Ich sehe noch eine andere Lesart: Identifizieren ist der Akt des Erkennens oder des Benennens. Also zum Beispiel: "Ich identifiziere ein braunes Ding am Boden als ein Stück Holz." und äquivalent dazu "Ich identifiziere mich selbst als eine nichtbinäre Person." - nachdem dieses Identifizieren aber einmal abgeschlossen ist, reicht es auch zu sagen: "Da ist ein Stück Holz." und "Ich bin nichtbinär."

Viele Menschen, vor allem cis Menschen, stolpern über die Phrase "Ich identifiziere mich als ..." und meinen dann, es ginge hier um den Akt des Aussprechens. Dabei geht es eigentlich um das Herausfinden, das davor passiert ist - und es ist schlicht Fakt, dass niemand so gut über die Geschlechtsidentität eines Menschen Bescheid weiß, wie die Person selbst.

Wenn jemand sagt "Ich habe Rückenschmerzen" so werden die wenigsten Leute entgegnen "Nein hast du nicht, dein Rücken ist doch völlig gerade." Wir erkennen an, dass Schmerzen etwas sind, das normalerweise nur aus subjektiver Perspektive zugänglich ist.

Biologismus

Von Biologismus wird in diesem Kontext gesprochen, wenn eine sehr stark biologische Sicht auf menschliche Geschlechter vertreten wird; wenn also Geschlecht allein auf biologische Merkmale reduziert wird. Menschen die eine solche Sicht vertreten, beziehen sich dabei allerdings auch meist nicht auf die Expertise von Biolog*innen, sondern auf ihr eigenes Halbwissen aus dem Bereich. Biologisch gesehen gibt es eine große Zahl an Einzelfaktoren, die miteinander übereinstimmen können, aber auch nicht - nur die Chromosomen eines Menschen zu kennen, muss nicht besonders viel aussagen - außerdem kennen die wenigsten Menschen ihre eigene DNA.

* Passing, Clocking

Als "Passing" wird es bezeichnet, wenn eine trans Person in ihrem Umfeld nicht auffällt, d.h. eine trans Frau von Fremden nicht als trans erkannt wird. "Clocking" ist der Gegenbegriff, und bezeichnet, als trans Person "entlarvt" zu werden.

Beide Begriffe sind sehr umstritten und in Trans-Communities weithin unbeliebt. Viele trans Menschen wollen ihr Transsein überhaupt nicht verstecken; es verstecken zu müssen ist außerdem Ausdruck einer Gesellschaft, die Transsein nicht akzeptiert, und dann gelte es eher die Gesellschaft zu ändern.

Weiters ist "Passing" relativ - ein und die selbe Person kann unmittelbar hintereinander von verschiedenen Personen für männlich, weiblich oder ambivalent gehalten werden.

Und schließlich stellt sich die Frage, was denn eine nichtbinäre Person mit diesen Begriffen anfangen soll - schließlich haben sehr viele Menschen noch nicht einmal gehört, dass es so etwas gibt, und ordnen Menschen instinktiv in eine der beiden Kategorien männlich und weiblich ein.

* TERF, "gender critical"

Die Abkürzung steht für "Trans-Exclusive Radical Feminist" - und ist im Wesentlichen eine Bezeichnung für transphob gesinnte Menschen, die in der Existenz von trans Menschen eine Verschwörung gegen feministische Bewegungen sehen. TERFs schrecken oft nicht davor zurück, gezielt falsche Information in Umlauf zu bringen, Kampagnen gegen prominente trans Leute (oder auch nur Personen die sich positiv über trans Leute geäußert haben) zu organisieren, oder körperliche Gewalt gegen trans Menschen anzuwenden.

TERF-Ideologie besagt z.B., dass trans Frauen eigentlich Männer wären, die versuchen würden, Frauenbewegungen zu infiltrieren und von innen zu zerstören. Trans Frauen werden als perverse Männer hingestellt, deren einziges Ziel es sei, sich verkleidet zu Frauen Zutritt zu verschaffen. Als Beweismaterial werden einzelne Anekdoten von gewalttätigen Trans-Personen gebracht - dabei jedoch ignoriert, dass trans Menschen statistisch viel häufiger Opfer von Gewaltakten werden, als dass sie Täter*innen sind.

Umgekehrt sprechen TERFs meist wenig über trans Männer oder bei der Geburt weiblich zugewiesene nichtbinäre Menschen - diese werden dann eher als "Verräterinnen an der Weiblichkeit" angesehen, und oft gegen deren Willen in weibliche Räume eingeladen.

Da TERFs in den meisten feministischen Bewegungen mittlerweile nicht mehr akzeptiert werden, verbünden sich TERF-Gruppierungen zunehmend mit politisch rechtskonservativ gesinnten Menschen, zuweilen sogar mit  explizit antifeministischen. Das Ziel, trans Personen die Existenz abzusprechen scheint manchen wichtiger zu sein als sich tatsächlich für die Rechte von Frauen einzusetzen, wie sie es eigentlich vorgeben.

Um sich selbst einen neuen Anstrich zu geben, nennen sich viele TERFs mittlerweile gender-critical (gender-kritisch). Sie sprechen auch gerne von womyn-born womynbio-women, oder betonen die sprachliche Nähe zwischen woman und womb. Eine weitere Strategie ist, zu behaupten, dass "terf" ein Schimpfwort wäre, oder dass "cis" ein Schimpfwort wäre.

Obwohl TERFs in den meisten feministischen Bewegungen kaum akzeptiert werden, hält sich deren Gedankengut leider immer noch vielerorts im Hintergrund - selbst trans Personen fallen gelegentlich darauf herein.

* Truscum, trans-trender

Mit Truscum sind Menschen vor allem innerhalb von Transgender-Communities gemeint, die eine Unterscheidung treffen zwischen "richtigen" trans Menschen (d.h. etwa solche die eine volle Transition anstreben) und "falschen" Trans-Menschen, die angeblich lediglich einem Trend folgen. Als Unterscheidungskriterium wird - neben dem Wunsch, körperlich möglichst weitgreifende Änderungen durchzuführen - oft gebracht, ob eine Person Gender-Dysphorie erlebt.

Vielen Menschen, die von Truscum in die Kategorie "nicht wirklich trans" gesteckt werden, müssen sich den Vorwurf anhören, nur einem Trend zu folgen, "trans-trender" zu sein. Angesichts der enormen Hürden, Gefahren und Ablehnung die viele trans Menschen erleben müssen, ist dieser Vorwurf aber eher absurd - es ist schade, dass innerhalb von Trans-Communities wiederum Ausgrenzung von Menschen stattfindet, die einer Norm nicht genügen.

* biologisches Geschlecht

Das englische "sex" wird oft so ins Deutsche übersetzt. Der Begriff wird jedoch in Trans-Communities als fragwürdig angesehen. Die Vorstellung, welche die meisten Menschen von der menschlichen Biologie haben, ist so stark von der vorherrschenden Binarität geprägt, dass dieser Umstand oft kaum wahrgenommen, und das "biologische Geschlecht" einfach als offensichtlich, gegeben und keiner weiteren Erklärung bedürfend angenommen wird.

Eine biologische Sicht auf menschliche Geschlechter ist jedoch vielfältig - Parameter wie Chromosomen, Hormonspiegel, Genitalien, Keimdrüsen und sekundäre Geschlechtsmerkmale können allesamt getrennt betrachtet werden, und das alles kann insgesamt sehr von dem simplifizierten Bild abweichen, dass Leute haben, wenn sie "biologisches Geschlecht" hören.

* dyadisch

Ein Gegenbegriff zu inter. Dyadische Menschen sind also einfach die, die nicht intergeschlechtlich sind. Das können sowohl cis als auch trans Menschen sein.

* Sexualisierung, Transmisogynie

Eine weit verbreitete Strategie, um eine Menschengruppe in der Meinung der breiten Masse zu diskreditieren, ist Sexualisierung. Dies kann unterschiedliche Formen annehmen: beispielsweise wird einer Gruppe unterstellt, sich "tierisch" zu verhalten, "pervers" zu sein, eine Gefahr für Kinder, usw. - dies war und ist immer noch zu hören, wenn rechtsgesinnte Menschen über Homosexualität sprechen, und auch ethnische Minderheiten werden gerne in diese Schublade gesteckt, um sie zu diskreditieren.

Auch Frauen ganz allgemein werden in einer männerdominierten Gesellschaft sexualisiert, was sich beispielsweise an Werbeplakaten gut sehen lässt. Indem Männer die Beobachter sein sollen und Frauen die Beobachteten (deren Aussehen dann frei heraus kritisiert werden darf), werden Machtverhältnisse aufrechterhalten - Sexualisierung ist eine Reduktion auf nur einen Aspekt eines Menschen und wirkt damit als Abwertung.

Trans Frauen haben auch ganz speziell unter dieser Form von Misogynie zu leiden: da Frauen an sich schon gesellschaftlich sexualisiert werden, müssen - gemäß dieses häufigen transfeindlichen Argumentes - bei einer bei der Geburt männlich zugewiesenen Person, die sich "freiwillig" als Frau bezeichnet, wohl sexuelle Motive dahinterstecken. Jedes Anzeichen, dass trans Frauen irgendein Interesse an Sexualität haben - wie die meisten anderen Frauen auch - wird als Beleg dafür angesehen.

Dies ist ein Beispiel für Transmisogynie, ein Begriff, der 2007 von Julia Serano geprägt wurde, um die ganz spezifische Überschneidung von Frauenfeindlichkeit und Transfeindlichkeit zu beschreiben.

~ ẞ ~

Montag, 16. Juli 2018

Üpdäätle -42-

Jetzt ist doch schon ein ganzes Stück Juli vergangen. Dieser Sommer ist für mich bis jetzt erfreulich verlaufen - ganz entgegen der gefürchteten Juli-Einsamkeit vieler vergangenen Jahre habe ich viele Menschen um mich. :-)

Ich habe auch einiges zu bloggen vor mir, auch wenn davon hier noch nichts zu merken ist. Ein neues Gamification-System für meinen Alltag, das recht gut funktioniert, hat mich eine Menge Zeit in Aufräumen, aber auch immerhin gut drei Stunden in Blogposts Schreiben investieren lassen. Ich wollte eigentlich nur eine eher kurz gefasste Übersicht über Begriffe aus den LGBTQIA+ Szenen schreiben, aber es ist ausgeartet, und mittlerweile sind aus einem Blogposts drei geworden, und selbst die sind noch zu lang eigentlich.

Ein bisschen mache ich mir auch Sorgen, dass, was ich da tue, letztlich in Selbstbeweihräucherung endet. Es ist ja nicht so, dass diese Information nicht anderswo aufzufinden wäre, als auf einem kleinen Blog mit abzählbar wenigen Leser*innen. Aber ich hab doch irgendwie das Bedürfnis, meine momentanen Arbeitsdefinitionen festzuhalten - da ist ja doch vieles immer wieder im Fluss und muss gelegentlich überarbeitet werden. Vielleicht steckt auch der Gedanke dahinter, dass ich das Ergebnis Leuten aus meiner Familie zeigen kann - wenn ich es geschrieben habe, lesen sie es eher?

Und es gibt ja durchaus auch Begriffe, die mir selbst nach Jahren Beschäftigung mit LGBTQIA+ Diskussionen nicht untergekommen waren. Das geht vermutlich anderen ja auch so...

~ ẞ ~

Musikalisch bin ich immer noch morbide interessiert, wie oft ich Musik hören kann, bevor sie mir beginnt, auf die Nerven zu gehen. Computerspielmusik der 90er, bei der ich bestimmt jeden einzelnen Track über 500 mal gehört habe - und trotzdem hat es etwas Entspannendes? Ab einem gewissen Punkt ist "Information" einfach nicht mehr relevant. Auch die mangelnde musikalische Qualität spielt keine Rolle mehr - auch das musikalisch hochwertigste Stück würde sich nach 500 mal Hören ja abgenützt haben. Es sei denn vielleicht, es ist von Ustwolskaja. Aber ansonsten?

Tatsächlich erreiche ich hin und wieder den Punkt, wo es doch zuviel wird. Aber immer nur kurz - nach einem oder zwei Tagen Pause kann ich dann wieder weiterhören, wo ich aufgehört habe.

Ich denke darüber nach, ob die Präferenz für "Sameness", wie sie für manche Autist*innen typisch ist, etwas damit zu tun hat - wenn ich auch zeitweilig eine unersättliche Neugier hatte, die mich zu immer weiteren Vorstößen in die Welt der Neuen Musik getrieben hatte, so hatte ich doch auch immer die Tendenz, alles, was ich mir wirklich aneignen wollte, auf Dauerschleife zu hören.

Als ich Edgard Varèse entdeckt habe, habe ich eben nur Varèse gehört, zumindest hauptsächlich. Einer meiner Lehrer meinte, dass er Varèse nicht vor dem Schlafengehen hören könne - was mich amüsiert hat, weil ich diese Musik hauptsächlich kurz vor dem Schlafengehen gehört habe. Ich assoziiere Varèse, Boulez, und generell viel Neue Musik mit den späten Abendstunden. Den einsamen Sommernächten, in denen die aus dem Alltag gekippte Normalität durch irgendetwas anderes ersetzt werden muss...

Für mich ist die Eigenschaft "Kann hundert Male gehört werden" eines der wichtigsten Kriterien für musikalische Qualität geworden. Und das heißt auch, dass sich über die Jahre meine Bewertung mehr und mehr verzerrt. Die besagte Computerspielmusik, die ich sowohl was die Qualität der verwendeten Sounds als auch der Komposition selbst als mittelmäßig bis schlecht einstufen würde, brilliert plötzlich, weil die repetitive Einfachheit (nicht zu verwechseln mit Minimalismus im Sinne der Minimal Music, die oft extrem nervenraubend sein kann) eine Hörweise ermöglicht, die mich aus der Musik Energie beziehen lässt, ohne mich gleichzeitig Aufmerksamkeit zu kosten. Ustwolskaja tut im Prinzip nichts anderes, nur auf höchstem Niveau. Viele anderen Komponist*innen, deren Musik ich sehr hoch schätze, haben diese Qualität - ein net positive gegenüber des Alltagsenergielevels zu sein - nicht.

~ ẞ ~

Die nächsten Wochen werde ich wieder ins Orchesterstück einsteigen - derzeit bin ich dabei, die dafür nötigen Arbeitsbedingungen herzustellen - freie Tischfläche vor allem - und dann hoffentlich darüber berichten, dass die Arbeit vorangeht.


Montag, 9. Juli 2018

Houses vs. A Challenge

How the Hogwarts-Houses approach a challenging Game

~ ẞ ~

Gryffindor: You're not really prepared, but you give your best. You fail, but it was worth it.

Slytherin: You win, but your strategy is deemed unfair and declared illegal from now on.

Ravenclaw: You were winning, but then you notice a flaw in the rules, and you give up to fix it.

Hufflepuff: You spent all your time practising, but now, because the rule haves have changed because of Ravenclaw, everything works completely different again. You win, but it was really close.

Gryffindor, 2nd time: You were careless and prepared for the wrong thing, which happened to be what the rules were changed into. You win.

~ ẞ ~

(Some random thing that I wrote on a small sheet of paper. I decided that I should post more random things from time to time.)

Montag, 2. Juli 2018

Kleine Sammlung konzeptueller Musikstücke und alberner Werktitel

Quelle: Notizzettel, Txt-Dateien, Einzeiler in alten Notizbüchern...

~ ẞ ~

Konzeptuelle Stücke

1.

Traitor für Kammerensemble: Die Musiker*innen ziehen vor der Aufführung Lose. Eine von ihnen hat die Anweisung, die Dirigent*in überhaupt nicht zu beachten; diese weiß jedoch nicht, wer es ist, und muss es erst im Verlauf des Stückes herausfinden.

2.

Bomb Music für Nachrichtensprecher und Ensemble: Die Anzahl der Töne nach einer Ansage entspricht der Zahl der Todesopfer.

3.

Slacker für Kammerensemble: Jede Musiker*in spielt nur etwa ein bis zwei Drittel ihres Parts. Die restliche Zeit sitzen die Musiker*innen nur auf der Bühne, schlafen, lesen Zeitung, oder trommeln gelangweilt auf ihren Instrumenten. Sie entscheiden frei, wann sie aussetzen, und wieviel sie überhaupt spielen wollen.

Die Instrumente sind nicht klar den einzelnen Musiker*innen zugewiesen sondern werden auch herumgereicht, um zu thematisieren, dass Jobs nicht unbedingt nur von einer Person allein erledigt werden müssen.

Einige Musiker*innen haben überhaupt keine Noten - diese können während der Aufführung anderen ihre Noten entwenden, frei improvisieren oder auch einfach nur dasitzen.

Wenn alle Musiker*innen gleichzeitig beschließen, Pause zu machen, kann es auch zu Momenten völliger Stille kommen.

4.

Bomb Music II (2016) : Alle Musiker*innen haben Kopfhörer und hören Ausschnitte aus Nachrichtensendungen. Jedes Mal wenn in der Sendung gesagt wird, dass Menschen gestorben sind, spielen sie einen Ton; die Lautstärke wird durch die Betroffenheit bestimmt; die Musiker*innen schätzen subjektiv ein, wieviel Bedeutung sie einem Ereignis zuschreiben und spielen dementsprechend eine längere oder kürzere, intensivere oder ruhige Phrase.

Der Text den die Musiker*innen hören wird leicht nach hinten zeitversetzt an eine Wand projiziert, damit das Publikum nachvollziehen kann, auf was gerade reagiert wurde.

5.

Rise für zwei Sänger*innen: Zwei Sänger*innen befinden sich in schalldicht getrennten Räumen. Beide tragen Kopfhörer; was die eine singt, wird live zur anderen übertragen, und umgekehrt.

Beide haben die Anweisung, den Ton zu singen, den sie von der anderen Person durch die Kopfhörer hören. Einer der beiden Kopfhörer transponiert den empfangenen Ton kaum merklich nach oben.

6.

Balance Act: Wie 5, nur dass ein Kopfhörer nach oben transponiert und der andere nach unten.

7.

Nose Game Noise für Kammerensemble: Wenn ein bestimmter Klang ertönt, müssen alle Musiker*innen an die Nase tippen. Wer zuletzt an die Nase tippt, muss die Bühne verlassen. Die Dirigent*in fungiert als Schiedsrichter*in. Das Stück endet, sobald nur noch eine Musiker*in auf der Bühne sitzt.

8.

Die Probenpläne sind gleichzeitig die Noten, nach denen die Musiker*innen spielen.

9.

Dedication für Ensemble: Jede Musiker*in sucht sich eine Person aus dem Publikum aus, deren Sitzverhalten, Gestik, usw. sie als Spielanweisung interpretiert.

Variante: Um das ganze interessanter zu machen, gibt es im Publikum einige Schauspieler*innen, die für Unruhe sorgen und Streit provozieren.

10.

Nichts wird zerstört für 6 Dirigent*innen und 6 Bühnenarbeiter*innen: Auf der Bühne stehen feinsäuberlich aufgebaut die Stühle der nicht anwesenden Musiker*innen. Während dirigiert wird, schieben die Arbeiter*innen große Instrumente quer über die Bühne, werfen dabei Stühle um und rempeln die Dirigent*innen an.

11

Sprecher*in betritt die Bühne und erklärt: "Dieses Stück besteht aus all den Pausen, die zwischen dem 9. März 1760 und dem 24. Juli 1899 komponiert wurden."

12

Wo bleibt der Gongschlag? für Kammerensemble. Während der Aufführung blickt die Dirigent*in immer wieder unruhig nach hinten, schließlich bricht sie ab und ruft "Wo bleibt jetzt endlich der Gongschlag?" - daraufhin sprintet eine Schlagzeuger*in in Sportkleidung auf die Bühne, schlägt auf den Gong, und sprintet wieder zurück hinter das Publikum.

~ ẞ ~

Stücktitel

1

Die Freude des Schlagzeugers über das wiedererlebte Trommeln

2

Erhältlich in Allen Größen, ein mehrsätziges Werk mit den Satzbezeichnungen short, medium, large und x-largo.

3

Tanz der Riesenflöte mit den neunundzwanzig gusseisernen Klapperschlangen

4

Neun grüne Flammenwirbel für Pferd und Orchester

5

DADA stirbt. 9 Todeskrämpfe

6

Mindestens haltbar bis [DATUM DES JURYENTSCHEIDS]

(den verwende ich vllt wirklich mal, falls ich noch bei einem Wettbewerb teilnehmen sollte...)

7

Ein Krummhorn im Zoo für Streichquartett: Die vier Musiker*innen bilden die vier Ecken eines Käfigs, in dessen Mitte ein Krummhorn liegt.

8

Sonate für neun Totenschädel und Maschinengewehr

~ ẞ ~

Die meisten davon sind aus einem alten Notizheft, das ich so mit 19 Jahren begonnen habe. Bomb Music hat mich einige Jahre beschäftigt als Idee, aber ich bin einfach nicht die Sorte Künstler*in, die sowas durchziehen würde... es klingt nach einer potentiell traumatisierenden Erfahrung für Musiker*innen und/oder Publikum.

Mein Ideal einer Instrumentalmusik bezieht in irgendeiner Weise die Musiker*innen selbst ein - ansonsten könnte auch einfach für Computer komponiert werden. Aber da ich mit Menschen aus der Musikszene im Allgemeinen nicht so gut klarkomme, werde ich kaum selbst etwas in die Richtung machen, die ich hier im Laufe des letzten Jahrzehnts skizziert hätte.

Jundurg Delphimė