Montag, 2. Juli 2018

Kleine Sammlung konzeptueller Musikstücke und alberner Werktitel

Quelle: Notizzettel, Txt-Dateien, Einzeiler in alten Notizbüchern...

~ ẞ ~

Konzeptuelle Stücke

1.

Traitor für Kammerensemble: Die Musiker*innen ziehen vor der Aufführung Lose. Eine von ihnen hat die Anweisung, die Dirigent*in überhaupt nicht zu beachten; diese weiß jedoch nicht, wer es ist, und muss es erst im Verlauf des Stückes herausfinden.

2.

Bomb Music für Nachrichtensprecher und Ensemble: Die Anzahl der Töne nach einer Ansage entspricht der Zahl der Todesopfer.

3.

Slacker für Kammerensemble: Jede Musiker*in spielt nur etwa ein bis zwei Drittel ihres Parts. Die restliche Zeit sitzen die Musiker*innen nur auf der Bühne, schlafen, lesen Zeitung, oder trommeln gelangweilt auf ihren Instrumenten. Sie entscheiden frei, wann sie aussetzen, und wieviel sie überhaupt spielen wollen.

Die Instrumente sind nicht klar den einzelnen Musiker*innen zugewiesen sondern werden auch herumgereicht, um zu thematisieren, dass Jobs nicht unbedingt nur von einer Person allein erledigt werden müssen.

Einige Musiker*innen haben überhaupt keine Noten - diese können während der Aufführung anderen ihre Noten entwenden, frei improvisieren oder auch einfach nur dasitzen.

Wenn alle Musiker*innen gleichzeitig beschließen, Pause zu machen, kann es auch zu Momenten völliger Stille kommen.

4.

Bomb Music II (2016) : Alle Musiker*innen haben Kopfhörer und hören Ausschnitte aus Nachrichtensendungen. Jedes Mal wenn in der Sendung gesagt wird, dass Menschen gestorben sind, spielen sie einen Ton; die Lautstärke wird durch die Betroffenheit bestimmt; die Musiker*innen schätzen subjektiv ein, wieviel Bedeutung sie einem Ereignis zuschreiben und spielen dementsprechend eine längere oder kürzere, intensivere oder ruhige Phrase.

Der Text den die Musiker*innen hören wird leicht nach hinten zeitversetzt an eine Wand projiziert, damit das Publikum nachvollziehen kann, auf was gerade reagiert wurde.

5.

Rise für zwei Sänger*innen: Zwei Sänger*innen befinden sich in schalldicht getrennten Räumen. Beide tragen Kopfhörer; was die eine singt, wird live zur anderen übertragen, und umgekehrt.

Beide haben die Anweisung, den Ton zu singen, den sie von der anderen Person durch die Kopfhörer hören. Einer der beiden Kopfhörer transponiert den empfangenen Ton kaum merklich nach oben.

6.

Balance Act: Wie 5, nur dass ein Kopfhörer nach oben transponiert und der andere nach unten.

7.

Nose Game Noise für Kammerensemble: Wenn ein bestimmter Klang ertönt, müssen alle Musiker*innen an die Nase tippen. Wer zuletzt an die Nase tippt, muss die Bühne verlassen. Die Dirigent*in fungiert als Schiedsrichter*in. Das Stück endet, sobald nur noch eine Musiker*in auf der Bühne sitzt.

8.

Die Probenpläne sind gleichzeitig die Noten, nach denen die Musiker*innen spielen.

9.

Dedication für Ensemble: Jede Musiker*in sucht sich eine Person aus dem Publikum aus, deren Sitzverhalten, Gestik, usw. sie als Spielanweisung interpretiert.

Variante: Um das ganze interessanter zu machen, gibt es im Publikum einige Schauspieler*innen, die für Unruhe sorgen und Streit provozieren.

10.

Nichts wird zerstört für 6 Dirigent*innen und 6 Bühnenarbeiter*innen: Auf der Bühne stehen feinsäuberlich aufgebaut die Stühle der nicht anwesenden Musiker*innen. Während dirigiert wird, schieben die Arbeiter*innen große Instrumente quer über die Bühne, werfen dabei Stühle um und rempeln die Dirigent*innen an.

11

Sprecher*in betritt die Bühne und erklärt: "Dieses Stück besteht aus all den Pausen, die zwischen dem 9. März 1760 und dem 24. Juli 1899 komponiert wurden."

12

Wo bleibt der Gongschlag? für Kammerensemble. Während der Aufführung blickt die Dirigent*in immer wieder unruhig nach hinten, schließlich bricht sie ab und ruft "Wo bleibt jetzt endlich der Gongschlag?" - daraufhin sprintet eine Schlagzeuger*in in Sportkleidung auf die Bühne, schlägt auf den Gong, und sprintet wieder zurück hinter das Publikum.

~ ẞ ~

Stücktitel

1

Die Freude des Schlagzeugers über das wiedererlebte Trommeln

2

Erhältlich in Allen Größen, ein mehrsätziges Werk mit den Satzbezeichnungen short, medium, large und x-largo.

3

Tanz der Riesenflöte mit den neunundzwanzig gusseisernen Klapperschlangen

4

Neun grüne Flammenwirbel für Pferd und Orchester

5

DADA stirbt. 9 Todeskrämpfe

6

Mindestens haltbar bis [DATUM DES JURYENTSCHEIDS]

(den verwende ich vllt wirklich mal, falls ich noch bei einem Wettbewerb teilnehmen sollte...)

7

Ein Krummhorn im Zoo für Streichquartett: Die vier Musiker*innen bilden die vier Ecken eines Käfigs, in dessen Mitte ein Krummhorn liegt.

8

Sonate für neun Totenschädel und Maschinengewehr

~ ẞ ~

Die meisten davon sind aus einem alten Notizheft, das ich so mit 19 Jahren begonnen habe. Bomb Music hat mich einige Jahre beschäftigt als Idee, aber ich bin einfach nicht die Sorte Künstler*in, die sowas durchziehen würde... es klingt nach einer potentiell traumatisierenden Erfahrung für Musiker*innen und/oder Publikum.

Mein Ideal einer Instrumentalmusik bezieht in irgendeiner Weise die Musiker*innen selbst ein - ansonsten könnte auch einfach für Computer komponiert werden. Aber da ich mit Menschen aus der Musikszene im Allgemeinen nicht so gut klarkomme, werde ich kaum selbst etwas in die Richtung machen, die ich hier im Laufe des letzten Jahrzehnts skizziert hätte.

Jundurg Delphimė

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