#bingecreating heißt es in diesen Quarantänezeiten. Es hat sich also gut getroffen, dass ich ohnehin gerade diesen Monat ein Projekt, das ich lange liegen habe lassen, wieder frisch angehen wollte: AlgoLine.
(Lange liegen lassen aus gutem Grund: Ich hatte mir vor 2 Jahren gesagt, dass ich erst dann wieder daran weitermache, wenn mein Orchesterstück und meine Diplomarbeit fertig sind.)
Der Code von 2016, das stellte sich nach kurzer Begutachtung heraus, war absolut grauenhaft; wüstes Durcheinander von Referenzen, unklar benannten Variablen, einem Mischmasch aus Deutsch und Englisch... daran weiterzumachen, hatte ich echt keine Lust. Also nochmal komplett neu anfangen.
Im Gegensatz zu AlgoLine A (wie ich die alte Version jetzt mal nenne), wo es keinerlei Interface gab, um die Generation des Stücks zu beeinflussen (alle Befehle dafür standen direkt im Code) wollte ich es diesmal so anlegen, dass auch andere Personen theoretisch etwas damit anfangen können. Daher gibt es zu jedem Algorithmus, der im Programm zur Verfügung steht, eine äquivalente Textzeile - damit ist sowohl laden als auch speichern möglich, und vor allem, die Anweisungen können vorher in ein txt-File geschrieben werden.
Ich überlege im Moment noch, was ich noch alles in diese "Rezepte" hineinnehme. Derzeit besteht noch jedes Rezept aus drei Teilen:
1) Auswahl der StepWidth, standardmäßig 12 Töne pro Oktav, möglich sind aber auch 24, 36, 48, 60 und 72. Intern gelöst ist das, indem ich z.B. für Vierteltöne einen zweiten Midi-Channel zuziehe, dem zur Initialisierung einmal ein PitchBend-Befehl zugewiesen wird, alles um einen Viertelton höher abzuspielen. Für die 72-stufige Oktav sind es dann schon 6 Kanäle. Noch kleinere Abstände wären also theoretisch noch möglich, aber praktisch ist es schon bei Zwölfteltonschritten schwer, einen Unterschied zu hören.
2) Die Instructions, jeweils eine Zeile pro Instruktion. Diese dienen alle dazu, zu entscheiden, welche Tonhöhen für einen neuen Schlag ausgewählt werden, basierend auf den bisherigen oder ohne Kontext. Jede Instruktion liefert einen positiven oder negativen Wert für jede einzelne auswählbare Tonhöhe. Die Werte aller Instruktionen werden dann addiert, und das Gesamtergebnis an die Selectors weitergegeben.
3) Die Selectors, deren Aufgabe es ist, basierend auf den Bewertungen eine Auswahl zu treffen. Mit "die am höchsten bewertete Tonhöhe" allein ist es nämlich noch nicht getan, denn da gibt es häufig Gleichstände. Ein AllSelector wählt in diesem Fall einfach alle aus, während ein LowNoteSelector sich jeweils nur die tiefste herauspickt. (Meistens mit der Konsequenz, dass die übrigen der Reihe nach von unten nach oben abgearbeitet werden) Es gibt auch noch die Möglichkeit, einen LowNoteReverseSelector zu verwenden, der wählt dann nicht aus den höchstbewerteten, sondern aus den niedrigstbewerteten Tonhöhen jeweils den tiefsten Ton aus.
Das Eingeben/Speichern/Laden von Rezepten passiert in der Konsole, erst nach dem Generieren eines Stückes startet der Player - dessen GUI ich zumindest mal angefangen habe:
Die roten Punkte in der Mitte sind die aktuell klingenden Tonhöhen. Alles darüber ist vergangen, das darunterliegende kommt noch. Je heller der Grauton, desto höher die Bewertung für die einzelne Tonhöhe.
Rechts wird es eine Buttonspalte geben. Da ist vorläufig nur mal ein paar bunte Quadrate anzuklicken; später soll da noch draufstehen, was der Button tut, und welches Tastaturkürzel stattdessen auch verwendet werden könnte.
Unten gäbe es eine Anzeige für die Tonhöhen, aber bei den Zwölfteltonschritten sind es einfach zu viele, als dass es sich gut darstellen ließe. Da muss ich noch etwas überlegen, wahrscheinlich werden dann nur bestimmte Tonspalten beschriftet, anstelle von allen.
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Vorhin hab ich mal das erste neue Stück auf Youtube hochgeladen:
Sweet Soil Exhort Navel
Davon kann ich hier das gesamte Rezept vorstellen:
// Sweet Soil Exhort Navel 2020-02-17
TWELFTHTONE
prefer 4000 set modus 28 5 14 28 5 14 14 5 offset 3
prefer 1600 set modus 14 14 14 5 14 14 5 offset 7
prefer 400 set modus 14 14 14 5 14 14 5 offset 10
prefer 100 set modus 14 14 14 5 14 14 5 offset 11
prefer 25 set modus 14 14 14 5 14 14 5 offset 2
prefer 5 set modus 14 14 14 5 14 14 5 offset 8
prefer 1 set modus 14 14 14 5 14 14 5 offset 9
avoid 100 sameas -300 to -200 ramp
avoid 200 sameas -2000 to -1000 ramp
avoid 1 sameas -900 to -1 ramp
avoid 10 same
AllSelector
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Jede Instruktionszeile beginnt entweder mit "avoid" oder "prefer", was im Prinzip ein Vorzeichen darstellt. Die Zahl danach ist ein Verstärker, der die Zeile im Verhältnis zu den anderen gewichtet. (Was nicht immer ganz so gut funktioniert, da manche Instruktionen einfach um ein Vielfaches stärker sind als andere.) "Modus" ist eine von mehreren Möglichkeiten, eine Menge an Tonhöhen herauszupicken, die vorzuziehen sind. Die Zahlen geben die jeweiligen Intervalle an - in semitonaler Musik (^^) würde 2 2 1 2 2 2 1 eine Durtonleiter vom untersten Ton an beschreiben. Mit Offset-Wert versetze ich die Skala dann noch ein Stück.
"sameas" lässt einen Bereich in der Vergangenheit definieren, und Noten von dort vermeiden oder bevorzugen. "avoid sameas -4 -2" würde sagen, dass die Noten vom vorletzten bis vorvorvorletzten Schlag (?) zu vermeiden sind. "ramp" ist ein mächtiger kleiner Zusatz: Da wird fließt nämlich ein Ton umso mehr in die Wertung ein, je näher er am Jetztzeitpunkt ist. Und da ich das nicht gut skaliert habe, heißt das, dass eine 100-Töne lange Rampe de facto den letzten Schlag 100mal gewichtet.^^
"Avoid same" ist die simpelste Instruktion, die aber fast immer gut ist, dabeizuhaben... das Stück zählt mit, wieviele Noten es von einer Tonhöhe schon gab, und wertet sie niedriger, je mehr es sind. Führt dann also dazu, dass Tonhöhen, die lange Zeit nicht vorkamen, irgendwann doch durchbrechen.
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TODO:
- das GUI ist ja erst halbfertig. Da kommt noch eine Möglichkeit, Spieltempo und Instrument zu verstellen, neben anderem wichtigen Kram.
- neue Algorithmen! Die Schwierigkeit ist hier, etwas zu finden, das nicht enorme Rechenzeit oder Speicherplatz braucht. "avoid same" funktioniert nur, weil ich die Töne beim Generieren schon mitzähle.
Ich möchte aber gerne ein "avoid same-intervals", und da muss ich gerade noch überlegen, wie ich das genau definiere. Damit das geht, würde ich für jeden Schlag speichern, welche Intervalle er gegenüber zum vorigen beinhaltet. Bei einzelnen Noten geht das ja, aber bei Akkord zu Akkord? Da steigt die Anzahl der möglichen Intervalle ja schnell an. Dreiklang zu Dreiklang beinhaltet 9 Intervalle: Von jedem Ton des ersten Klangs zu jedem Ton des zweiten...
Wenn ich die bloß als Menge (Set) speichere, verliere ich noch die Information, wie oft ein Intervall auftaucht. Hmm...
- mal ein paar Standardrezepte als kommentierte txt-Files erstellen, damit es für andere verständlicher wird.
- mich entscheiden, ob die "dimension" - Anzahl der verschiedenen Tonhöhen eines Stücks - und der Offset von den tiefsten Midipitches auch Teil des Rezepts werden sollen. Da hab ich nämlich beim Rezept oben vergessen, zu erwähnen, dass es auf eine Dimension von 400 angewendet wurde, um das Stück zu erzeugen.
- danach suchen, ob AllSelector nicht doch noch irgendwo einen Bug hat, der dazu führt, dass aufwärtslaufende Girlanden entstehen, wo es ja eigentlich keine Bevorzugung der Tonhöhe geben sollte. o_0
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